Ein Fall für Perry Clifton
soeben „guten Morgen“ gewünscht.
„Bitte, Sir, gedulden Sie sich einen Augenblick. Ich werde Sie bei Direktor Stanford anmelden.“
Sagt es und verschwindet in einer schalldichten Telefonzelle neben der Portiersloge.
Während Perry auf und ab geht, wählt der Portier eine Nummer. Perry hat nicht die leiseste Ahnung, daß es eine völlig andere Nummer als die des Direktors ist.
„Scotland Yard“, tönt es aus der Muschel, „welche Abteilung wünschen Sie?“
„Raub — Inspektor Long.“
Des Portiers Stimme klingt aufgeregt, als sich Inspektor Long vom Raubdezernat meldet.
„Hier spricht der Portier der Silver-General-Versicherung, Herr Inspektor. Sie haben mir doch gesagt, daß ich Ihnen alle verdächtigen Wahrnehmungen im Fall Kandarsky melden soll...“ Er macht eine Atempause und wischt sich den Schweiß vom Gesicht. „Soeben verlangt ein Mann den Direktor zu sprechen. Er behauptet, es handle sich um die Kandarsky-Diamanten. Der Mann erscheint mir sehr verdächtig, Herr Inspektor.“
Die Anweisung, die dem Portier aus der Muschel entgegenklingt, ist kurz und bündig.
„Halten Sie den Mann auf. Wir sind in fünf Minuten bei Ihnen...“
Perry sieht dem Portier erwartungsvoll entgegen.
„Bitte noch etwas Geduld, Sir. Der Herr Direktor wird in fünf Minuten für Sie zu sprechen sein...“ und als er Perrys zufriedenes Lächeln sieht, fährt er fort, „bitte nehmen Sie solange in unserem kleinen Wartesalon Platz…“
Perry, froh darüber, daß bisher alles nach Plan gegangen ist, folgt der Kugel. Und als sich die Tür hinter ihm schließt, läßt er sich mit behaglichem Grunzen in einen der supergroßen Sessel fallen...
Perry sieht auf seine Armbanduhr. 9.30 Uhr. Er wartet bereits seit acht Minuten. Er geht zur Tür. Einem unerklärlichen Gefühl folgend, öffnet er sie nur einen Spalt weit. Was er sieht, läßt ihn zusammenfahren. So ein Schurke, schimpft er leise. Der Portier redet auf zwei Männer ein und weist dabei fortwährend in seine Richtung. Perrys geschultes Auge hat sofort erkannt, daß es sich um Kriminalbeamte handelt.
Geräuschlos zieht Perry die Tür wieder ins Schloß. Mit wenigen Sätzen springt er in die äußerste Ecke des Zimmers. Seine Hand fährt in die Tasche. Fest umklammert sie den Würfel. Gerade noch rechtzeitig genug.
Die Tür öffnet sich. Drei Männer drängen herein. Die Kugel als letzter.
Sechs Augen durchwandern das Zimmer. Dann wendet sich der eine der Herren an den Portier. Und man kann nicht sagen, daß seine Stimme übermäßig freundlich ist.
„Wollen Sie uns zum Narren halten?“
Der Portier scheint aus seiner Versteinerung zu erwachen... Mit kurzen trippelnden Schritten umgeht er jeden einzelnen Sessel... „Er ist weg...“
„Behaupteten Sie nicht, Sie hätten die Tür keinen Augenblick aus den Augen gelassen?“
„Es ist die reine Wahrheit, Herr Inspektor“, stottert der Portier.
„Einen zweiten Ausgang gibt es auch nicht“, schaltet sich jetzt der zweite Beamte ein. „Ich glaube doch, Sie haben ein wenig zu tief ins Glas geguckt, mein Lieber!“
„Keinen Schluck habe ich getrunken“, beteuert der Portier und kann es noch immer nicht fassen.
„Dann holen Sie das mal schleunigst nach“, empfiehlt Inspektor Long spöttisch und verläßt kopfschüttelnd mit seinem Kollegen den Versicherungspalast.
Geistesabwesend schließt der Portier die Tür des Wartesalons und blickt verständnislos hinter den davongehenden Beamten her.
Er soll getrunken haben... Er ist empört — und beschließt, das tatsächlich sofort nachzuholen. Mit unsicheren Schritten geht er zu seiner Loge zurück. Als er das Gläschen Kümmelschnaps — Kümmelschnaps soll gut für die Verdauung sein, hat er gelesen — an den Mund setzt, öffnet sich die Tür des Wartesalons und — Perry tritt heraus.
Das Glas entgleitet den Fingern des Portiers und zerbricht in vielen Splittern auf dem Boden.
Perry geht mit forschen Schritten auf den Kugeligen zu, der mit weit aufgerissenen Augen zurückweicht, bis ihn die Rückwand seiner Loge aufhält.
„Sagen Sie mal, wie lange wollen Sie mich eigentlich noch warten lassen? Die fünf Minuten sind genau seit fünf Minuten vorbei...“ Perry tut besorgt. „Was ist Ihnen? Ist Ihnen schlecht geworden?“
Die Lippen des Portiers öffnen sich — und schließen sich wieder. Aber er bringt keinen Ton heraus. Verzweifelt sucht er nach einem Halt. Fast eine Minute vergeht, bis er endlich zitternd fragt:
„Sie sind da? Wo haben
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