Ein Fall von Liebe
ich bin in gewissen Dingen zurückhaltend, und die Menschen meinen so viel Verschiedenes, wenn sie das sagen. Oder laß es mich dir so erklären: wenn ich einen Sohn hätte, wünschte ich, er wäre wie du. Wenn ich einen Geliebten im üblichen Sinn hätte, wünschte ich, er wäre wie du. Ich möchte, daß du zu meinem Leben gehörst, so wie Tim, wenn auch in geringerem Maße, dazu gehört. Ich möchte mir vorstellen, daß du oben jemanden bei dir hast, den du liebst. Ich möchte, daß du kommst und gehst, wann es dir beliebt. Ich möchte, daß du mit mir zusammen ißt, wenn du nichts Besseres vorhast. Ich möchte mit dir über meine Bilder sprechen. Ich möchte dich ansehen. Wenn du von Zeit zu Zeit meinen Marotten willfährst, wäre ich sehr glücklich, aber das ist nicht wesentlich. Ich will gleich sagen, ich habe auch andere. Mich ziehen manchmal Jungen an, die es für Geld tun. Du findest mich sicher komisch, aber aus eigentlichen Liebesspielen habe ich mir nie etwas gemacht. Ich bin eine rein visuelle Natur. Ich habe den Anblick meines eigenen Körpers nie gemocht und zeige ihn lieber nicht. Im Liebesakt gibt es notgedrungen peinliche Momente. Ich würde nicht einmal dir und Tim dabei zusehen wollen, obwohl es vielleicht ein sehr schöner Anblick wäre. Soviel davon. Ich möchte, daß du frei bist, in der von mir vorgeschlagenen Art mit mir zu leben.«
»Aber was ist, wenn ich fortzugehen beschließe?«
»Das ist es ja gerade, was ich gemeint habe. Ich habe sehr früh erkannt, daß, je mehr man Menschen festhalten möchte, desto mehr verlangt es sie, frei zu sein. Darum habe ich beschlossen, es anders zu machen. Es hat mir einst acht Jahre eines großen Glücks gebracht. Das ist keine geringe Entschädigung für eine Investition. Du hast jetzt Geld, um ein Leben führen zu können, wie du es willst. Mehr werde ich dir nicht geben. Wenn du es in der nächsten Woche ganz ausgibt, dann wird das nur bedeuten, daß du nicht der Mensch bist, für den ich dich halte, und ich werde einen recht teuren Fehler gemacht haben. Ich irre mich nicht oft in Menschen. Was ich für dich empfinde, habe ich vorher nur zweimal in meinem Leben empfunden, und ich hatte beide Male recht. Du bezauberst mich einfach. Ich hoffe, du machst mir die Freude, dir zuzusehen, wie du lebst.«
Peter räusperte sich, um den Kloß in seiner Kehle loszuwerden. »Du mußt zugeben, es ist einfach überwältigend. Du mußt mir Zeit lassen, darüber nachzudenken. Ich möchte mit Tim darüber sprechen.«
»Das ist sehr reizend. Du weißt, was Freundschaft ist. Ich hätte das nicht getan, was ich getan habe, wenn nicht du es wärst.«
»Du kannst einen wirklich sprachlos machen. Ich habe dir noch nicht einmal gedankt.«
»Ich meine, wir können das der Zeit überlassen.«
Sie vereinbarten, den Abend zusammen zu verbringen. Und Peter kehrte in das, was er allmählich als seine eigene Wohnung betrachtete, zurück und wählte eine Uhr, von der er glaubte, sie würde einen guten Preis bringen, und ging aus und verkaufte sie. Er kaufte Lebensmittel und kehrte in die Wohnung zurück und wühlte in seiner Wäsche und holte die Mappe heraus, in der er Charlies Zeichnungen aufbewahrte, denn wenn er jetzt der Vergangenheit entfliehen konnte, dann war dies der Augenblick des Abschieds. Er durfte nicht weiter sein Herz an diese Dinge hängen, als die Verheißung einer Rückkehr zu dem ekstatischen Glück, in dem sie geschaffen worden waren. Mach dir nichts vor: die Vergangenheit ist ein beendeter Traum. Von einer der beiden Zeichnungen könnte er sich nie trennen; die andere war nur eine Kostbarkeit, die er jemanden schenken konnte, damit er sich daran freute.
Er saß mit der Mappe vor sich eine lange Zeit da, um über alles nachzudenken. Ganz gleich wie überzeugend Walter sprechen mochte, er mußte sicher sein, daß er sich nicht in irgendeiner Weise verkaufte. Selbst etwas so Einfaches wie, daß er ihm eine Zeichnung schenkte, die er liebte, könnte unangenehme Folgen haben. Die Pose war aufreizend. Würde er nicht seinen Körper benutzen, um Walter zu quälen, um seine besonderen Neigungen sich zunutze zu machen? Nein, er hatte kein Interesse daran, ihn auszubeuten. Er hatte das Geld noch nicht angenommen. Er würde es nicht als seins empfinden, ehe er nicht mit Tim gesprochen hatte. Er wußte nicht einmal, was er für Tim empfand. Er wußte jedoch, er empfand da etwas zum erstenmal seit Monaten. Es war etwas in ihm, glühend, erregend, ihn mit Vorfreude
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