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Ein Gebet für die Verdammten

Ein Gebet für die Verdammten

Titel: Ein Gebet für die Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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solchen Gefahren aussetzt. In dem Gesims sind etliche Steine lose.‹Woher wolltest du das gewußt haben, wenn du nicht selbst auf dem Sims herumgekrochen wärst?«
    Verärgert zuckte Abt Augaire zusammen, als er sich seiner Unachtsamkeit bewußt wurde.
    »An dem Abend, als Ultán nachts ermordet wurde, hast du mit Dúnchad Muirisci
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gespielt. Gegen Mitternacht hast du Dúnchads Zimmer verlassen. Du liefst den Gang entlang, hörtest Ultáns Tür aufgehen und sahst Schwester Marga herauskommen. Sie warf vermutlich noch einen Blick ins Zimmer und bemerkte dich nicht. Warum hat sie dich aber nicht gesehen, als sie sich umdrehte und auf den Gang trat? Wir wissen, daß Drón und Fergus Fanat in dem Gang waren, an dessen Ende Ultáns Tür ist. Also befandest du dich in dem anderen Teilstück, in das auch Marga mußte. Die Antwort kann nur sein, daß du in die Nische gehuscht bist und sie daran vorbeigegangen ist, ohne dich zu sehen. Ich könnte mir vorstellen, daß dir der Gedanke spontan kam. Du sahst den Sims, stelltest fest, daß er bis zu Ultáns Gemach führte, wußtest, daß er allein im Zimmer war und faßtest den Entschluß, von anderen unbemerkt, draußen auf dem Sims dorthin zu laufen. Sollte jemand den Gang entlangkommen, bliebest du unentdeckt. Du wähntest dich sicher und klettertest in sein Zimmer. Dann nutztest du das Überraschungsmoment und hast ihn erstochen, das allerdings in einer unbändigen Raserei, die deinem Haß auf ihn geschuldet ist. Nach vollbrachter Tat bist du auf dem Sims denselben Weg zurückgeschlichen.«
    Abt Augaire enthielt sich jeglicher Bemerkung.
    »Du hättest das Zimmer auch nicht einen Augenblick später verlassen dürfen, denn nun betrat es Bruder Drón. Er verweilte nicht lange, denn auch er hatte Marga herauskommen sehen und schlußfolgerte, daß sie ihn ermordet hatte. Angeblichhatte Drón eine Weile gewartet, ehe er zu Ultán ging, weil er den Abt nicht hatte in Verlegenheit bringen wollen. Diese Verzögerung war dein Glück, sie bescherte dir Zeit und Gelegenheit. Drón wollte ursprünglich Marga hinterherrasen und sie des Mordes bezichtigen, rutschte aber aus und fand sich auf den Steinplatten vor Dúnchads Tür wieder. Er besann sich eines Besseren. Es war nicht klug, Marga zu beschuldigen, ein derartiges Verbrechen würde den Forderungen von Ard Macha schaden. Also beschloß er, Stillschweigen zu bewahren und sich in sein Zimmer zu verziehen. Leider fiel ihm erst zu spät ein, daß er die Schriftstücke aus Ultáns Truhe hätte mitnehmen müssen, die ja verrieten, daß Marga die Kopistin des sogenannten ›Liber Angeli‹ war.
    Als ihm das bewußt wurde, da erschien auch schon der nächste Gast! Muirchertach Nár hatte sich vorgenommen, ein Wörtchen mit Ultán zu reden. Er ging in sein Gemach, sah den Leichnam und verließ entsetzt, rückwärts gehend, den Ort des Grauens. Just in dem Moment tauchten auch Brehon Baithen und Caol dort auf, sahen ihn und kamen zu der ganz natürlichen Schlußfolgerung. Er wurde des Mordes bezichtigt.«
    Abt Augaire saß weiterhin stumm da.
    »Eine Weile hast du vielleicht gedacht, besser könnte es für dich gar nicht laufen, Augaire. Dein erstes Opfer war tot, und dein zweites Opfer wurde des Mordes an ihm beschuldigt. Als du erfuhrst, daß ich die Verteidigung von Muirchertach Nár übernommen hatte, hast du dir alle erdenkliche Mühe gegeben, mir darzustellen, wie groß Muirchertachs Haß auf Ultán gewesen war. Dann ging dir langsam auf, daß ich meine Gründe hatte, ihn zu verteidigen, und das wurde dir zu gefährlich. Du mußtest deinen Racheakt konsequent zu Ende führen.
    Die Wildschweinjagd bot die ideale Gelegenheit, um so mehr, als sich die Jagdgesellschaft zerstreute. Heimlich, so, daß er dich nicht sehen konnte, verfolgtest du Muirchertach, und als er an einer abgelegenen Stelle strauchelte, bliebst du weiterhin in seiner Nähe und richtetest es dann so ein, daß du plötzlich vor ihm standest. Wahrscheinlich hast du ihm zugeredet abzusteigen, hast es irgendwie geschafft, seinen
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an dich zu bringen, und hast ihn mit seinem eigenen Jagdspeer niedergestochen.
    Dann kam dir der Zufall zu Hilfe. Dúnchads frei herumlaufendes Pferd war ein Gottesgeschenk. Ich weiß aus deinem Munde, daß dein Vater Jäger und Fährtenleser war. Du warst mit dem Handwerk vertraut und nutztest dein Wissen, eine falsche Spur zu legen. Du nahmst sein Pferd, bist aufgestiegen und hast auch Muirchertachs Pferd mitgenommen. Du bist ein Stück

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