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Ein Gesicht so schön und kalt

Ein Gesicht so schön und kalt

Titel: Ein Gesicht so schön und kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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beiden hatte Suzanne
auf dem Gewissen? fragte sie sich.
    Um halb zehn schlug Kerry den Aktendeckel zu. Sie war auf
keine neuen Anhaltspunkte für ihre am nächsten Tag
eingeplante Vernehmung von Arnott gestoßen. Wenn ich in
seinen Schuhen stecken würde, dachte sie, dann würde ich
behaupten, Suzanne hätte mir den Bilderrahmen an jenem
letzten Tag gegeben, weil sie das Gefühl hatte, einige der Perlen
seien dabei, sich zu lockern, und weil sie wollte, daß ich’s in
Ordnung bringe. Als man sie dann tot auffand, wollte ich nicht
in eine Morduntersuchung verwickelt werden, und so habe ich
den Rahmen behalten.
    Eine solche Geschichte könnte vor Gericht leicht Bestand
haben, weil sie völlig plausibel war. Mit dein Schmuck
allerdings war es eine andere Sache. Es lief alles auf den
Schmuck hinaus. Wenn sie beweisen konnte, daß Arnott
Suzanne diese beiden kostbaren alten Stücke geschenkt hatte,
dann war es unmöglich für ihn, sich mit der Behauptung
herauszureden, das seien Geschenke aus reiner Freundschaft
gewesen.
    Um zehn Uhr verließ sie das Amtsgebäude, das jetzt still
dalag, und ging zum Parkplatz. Da sie plötzlich merkte, daß sie
fast umkam vor Hunger, fuhr sie zu dem Schnellrestaurant um
die Ecke und nahm einen Hamburger mit Pommes frites und
Kaffee zu sich.
    Ersetze nur den Kaffee durch eine Cola, und du hast Robins
Lieblingsmahlzeit, dachte sie mit einem symbolischen Seufzer.
Ich muß schon sagen, mein Baby fehlt mir sehr.
    Die Momma und das Baby…
Die Momma und das Baby…
Weshalb ging ihr dieser Singsangsatz nur immer wieder durch
    den Kopf? fragte sie sich erneut. Irgend etwas schien damit nicht
zu stimmen, ganz und gar nicht zu stimmen. Aber was war es
nur?
    Sie hätte noch vom Büro aus anrufen und Robin gute Nacht
sagen sollen, machte sie sich plötzlich klar. Weshalb hatte sie es
nicht getan? Kerry aß rasch auf und stieg wieder ins Auto. Es
war jetzt zwanzig vor elf, viel zu spät, um noch anzurufen. Sie
fuhr gerade aus dem Parkplatz heraus, als ihr Mobiltelefon
klingelte. Es war Jonathan.
    »Kerry«, sagte er mit einer gedämpften, gepreßten Stimme,
»Robin ist gerade bei Grace drin. Sie weiß nicht, daß ich anrufe.
Sie wollte nicht, daß ich dich aufrege. Aber nachdem sie
eingeschlafen war, hatte sie einen schrecklichen Alptraum. Ich
glaube wirklich, du solltest eben rüberkommen. Es ist so viel
losgewesen. Sie braucht dich.«
    »Bin sofort da.« Kerry schaltete den Blinker von rechts nach
links, drückte das Gaspedal durch und brauste los, um zu ihrem
Kind zu kommen.

95
    Es war eine lange und denkbar unangenehme Fahrt von New
Jersey über die ausgebaute Landstraße in die Catskills hinein.
Um die Gegend von Middletown herum begann Eisregen
einzusetzen, und der Verkehr schlich nur noch dahin. Ein
umgestürzter Lastzug blockierte sämtliche Fahrspuren, was dazu
führte, daß die ohnehin qualvolle Fahrt noch um eine Stunde
verlängert wurde.
    Es war Viertel vor zehn, als ein erschöpfter und hungriger
Geoff Dorso im Polizeirevier von Ellenville eintraf, wo Jason
Arnott in Haft saß. Ein Team von FBI-Agenten wartete darauf,
Arnott zu verhören, sobald er die Gelegenheit zu einem
Gespräch mit Geoff gehabt hatte.
    »Sie verplempern Ihre Zeit, wenn Sie auf mich warten«, hatte
Geoff ihnen gesagt. »Ich kann nicht sein Anwalt sein. Hat er
Ihnen das nicht gesagt?«
    Arnott wurde in Handschellen in das Besprechungszimmer
eskortiert. Geoff hatte den Mann in den knapp elf Jahren seit
Suzannes Tod nicht mehr gesehen. Damals war man davon
ausgegangen, daß er zu Suzanne Reardon eine geschäftliche und
freundschaftliche Beziehung zugleich unterhalten hatte.
Niemand einschließlich Skip war je auf den Gedanken
gekommen, er hätte darüber hinaus irgendwelches Interesse an
ihr gehabt.
    Jetzt betrachtete Geoff den Mann aus der Nähe. Arnott war
etwas voller im Gesicht als in Geoffs Erinnerung, aber er hatte
noch immer den gleichen urbanen, der Welt etwas überdrüssigen
Ausdruck. Die Falten um die Augen sprachen für eine tiefe
Erschöpfung, aber das Rollkragenhemd aus Kaschmir sah unter
Arnotts Tweed-Jackett frisch wie stets aus. Landedelmann,
kultivierter Kunstkenner und Genießer, dachte Geoff. Selbst
unter diesen Umständen entsprach er dieser Rolle.
    »Es ist freundlich von Ihnen, daß Sie gekommen sind, Geoff«,
erklärte Arnott liebenswürdig.
»Ich weiß wirklich nicht, weshalb ich hier bin«, erwiderte
Geoff. »Wie ich Ihnen schon

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