Ein guter Mann: Roman (German Edition)
ich.«
»Ja«, sagte sie. »Ich werde da wohl unterwegs sein. Ich muss nach meiner Firma sehen, verstehst du?«
»Ja, natürlich.«
Eine Weile herrschte Schweigen.
»Ich weiß nicht, was du gemacht hast, aber sie haben dich gefilmt, wie du in der Unterhose und mit Waffen in der Hand aus dem Haus gekommen bist. Das sah sehr merkwürdig aus.«
»Das glaube ich dir«, sagte er.
»Der Reporter hat gesagt, sie wissen nicht, wer der nackte Mann ist, aber sie würden sich bemühen, es herauszufinden. Ich habe gedacht, ich sterbe. Ich habe gedacht, gleich knallt ein Schuss und du fällst.«
»Ja«, murmelte er.
»Ich halte das nicht aus«, sagte sie. »Das geht nicht.«
»Ich verstehe«, sagte er.
»Ich glaube, du verstehst das nicht«, sagte sie. »Leb wohl.«
»Ja«, sagte er vollkommen hilflos.
Er ließ sich in die Tiefgarage fahren und erklärte: »Tut mir Leid, der Geruch. Aber wenn Sie zehn Minuten mit offenen Fenstern fahren, wird es in Ordnung sein.«
»Alles für das Vaterland«, sagte der Fahrer grinsend.
Müller fuhr in den zweiten Stock, ging zu den Duschräumen. Er wusste nicht, was er Nour sagen sollte, er fühlte sich vollkommen hilflos.
Er musste unbedingt mit irgendjemandem reden. Er hatte drei Menschen getötet, einfach so. Nein, nicht einfach so. Er war wütend gewesen. Eigentlich wusste er, dass das keine Entschuldigung war. Aber wie hätte er anders reagieren sollen?
Er duschte eine halbe Stunde lang.
Dann ging er im Treppenhaus weiter nach oben, setzte sich in sein Büro, schaltete den Computer ein und gleich wieder aus.
Er rief Krause an und sagte: »Ich bin im Haus.«
»Kommen Sie her«, sagte Krause.
Er ging in Krauses Büro und fragte: »Wie war die Reise?«
»In beiden Fällen war es nicht mehr als ein Abtasten«, antwortete Krause. »Wollen Sie einen Whisky?«
»Bitte einen vierfachen.« Müller sah, dass Krause den Fernseher laufen hatte, ohne Ton. Er hatte die ARD eingeschaltet, die Bilder von den Osram-Höfen sendete. Müller sah sich plötzlich in Unterhosen mit einer Maschinenpistole in der Rechten.
»Das schalten wir mal ab«, sagte Krause. »Das brauchen wir jetzt nicht.«
»Meine Hosen stinken nach Achmeds Scheiße«, erklärte Müller. »Ich werde sie wegwerfen müssen.« Dann sah er Krause an. »Achmed ist tot«, berichtete er. »Ich war dabei, als er starb. Ich glaube, er hat auf mich gewartet.« Dann sagte er heftig: »Scheiße! Scheiße! Scheiße!«, und begann übergangslos zu weinen.
Krause nickte wortlos und sagte nach einer langen Pause: »Trinken Sie erst mal einen Schluck.« Dann wurde er unvermittelt sachlich, als sei das die einzige Methode, mit der Trauer fertig zu werden. »Sie haben diesen Pjotr getötet?«
»Ja.«
»Ich nehme mal an, Sie waren sehr wütend.«
»Ja. Sind die anderen alle erschossen worden?«
»Ja. Alle. Es gab keine andere Möglichkeit. Sie haben das Feuer eröffnet, als ihnen klar wurde, dass dieser Pjotr ausgeschaltet worden war. Sie wurden panisch und schossen.«
»Was ist dieser Breidscheid für ein Mensch?«, fragte Müller.
»Glatt wie ein Aal.« Krause trank einen Schluck Whisky. »Der Kardinal übrigens auch. Falls die nicht in irgendeiner Computerbotschaft ein komplettes Geständnis abliefern, stehen wir dumm da. Die Beweislage ist in beiden Fällen verdammt mager. Ich habe natürlich den untertänig Bittenden gespielt, aber entgegengekommen sind sie mir nicht. Im Gegenteil. Der Kardinal sagte mehrmals: ›Ihr Verdacht ist geradezu grotesk!‹ Jetzt bleibt uns nur noch der katholische Buchwinkel. Aber der wird ebenso mauern.«
»Wie war der Kardinal?«
»Er war freundlich zugewandt, hatte ganz viel Verständnis für mich. Und er sagte: Es gibt viele Menschen, die mich täglich erreichen wollen, und dieser Breidscheid gehört wohl dazu. Ich kenne den Mann kaum. Ich wandte ein, dass der Kardinal ein abhörsicheres Handy von Breidscheid hat und dass er monatlich wahrscheinlich Millionen von ihm bekommt. Da strahlt er mich an und sagt: Ach, mein Gott, ja das wäre schön. Und dann fängt er an, mir die finanzielle Situation seiner Diözese zu erklären und dass er jeden Monat einmal an der totalen Pleite entlang schrammt. Irgendwann habe ich die Geduld verloren und ihm gesagt, dass das alles eines Tages sowieso rauskommt. Wissen Sie, wie er reagierte? Er sagte: Mein Sohn, dann warten wir doch einfach ab und schauen dann, was kommt. Und bei Breidscheid war es im Grunde genauso. Ich frage ihn, wieso zum Teufel er Achmed
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