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Ein Hauch von Seide - Roman

Ein Hauch von Seide - Roman

Titel: Ein Hauch von Seide - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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sein Onkel der Bruder seiner Mutter war und dass es ihm nicht recht gewesen war, dass sie Dougies Vater geheiratet hatte.
    »Ein Weichling mit englischem Akzent und seltsamem Gebaren, der ein Schaf nicht mal hätte scheren können, wenn es um sein Leben gegangen wäre.« Viel hatte er nicht für seinen Schwager übriggehabt.
    Es war hart gewesen, im australischen Outback aufzuwachsen, auf einer großen Schaffarm, etliche Meilen von der nächsten Stadt entfernt. Aber auch nicht härter als das Leben vieler anderer junger Burschen. Wie sie hatte er seine Hausaufgaben in der Küche der Farm gemacht, unterrichtet von Lehrern, die über den Äther Kontakt zu ihren Schülern hielten. Wie sie hatte er seinen Teil auf der Farm tun müssen.
    Nachdem die Schule und die Prüfungen überstanden waren, hatte sein Onkel ihn auf eine benachbarte Schaffarm geschickt – als »Jackaroo«, wie man die jungen Männer der jüngeren Generation nannte, die eines Tages die Farmen ihrer Familien übernehmen würden.
    Nach dem Krieg waren die Zeiten hart gewesen, und das war seither so geblieben. Als sein Onkel krank geworden war, hatte der fliegende Arzt ihm gesagt, er habe ein schwaches Herz und solle aufhören zu arbeiten. Doch sein Onkel hatte sich rundheraus geweigert und war, genau wie er es sich gewünscht hatte, eines Abends bei Sonnenuntergang auf der Veranda seines baufälligen Bungalows gestorben, während der Regen auf das Blechdach prasselte wie Gewehrkugeln.
    Dougie hatte, als einziger Verwandter, die Farm geerbt, samt der Schulden und der Verantwortung für die Leute, die auf der Farm arbeiteten: Mrs Mac, die Haushälterin, und die Treiber Tom, Hugh, Bert und Ralph samt ihren Frauen und Familien.
    Dougie hatte bald herausgefunden, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als das Angebot eines wohlhabenden Nachbarn anzunehmen, der sich zur Hälfte in die Schaffarm einkaufte.
    Das war vor fünf Jahren gewesen. Seither war die Farm gediehen, und Dougie hatte sich eine Auszeit genommen, um seine Ausbildung in Sydney abzuschließen. Dort hatte ihn der erste Brief des Anwalts erreicht, und er hatte ihn schlichtweg ignoriert.
    Ein halbes Dutzend Briefe später – und mit wachsendem Bewusstsein dafür, wie wenig er eigentlich über seinen Vater und dessen Familie wusste – war er zu dem Schluss gekommen, er sollte vielleicht herausfinden, wer er war und wer nicht.
    Der Anwalt hatte ihm angeboten, ihm die Passage vorzuschießen. Nicht dass Dougie einen solchen Vorschuss gebraucht hätte – er besaß jetzt dank des Erfolgs der Farm eigenes Geld –, doch er hatte sich nicht auf eine Situation einlassen wollen, die ihm nicht ganz geheuer war, ohne mehr darüber zu wissen.
    Für seine Überfahrt nach England zu arbeiten mochte nicht der schnellste Weg gewesen sein, um hinzukommen, doch es war todsicher der aufschlussreichste, wie Dougie zugeben musste, als er durch das Dock-Tor ging und in die nebelverhangene Straße einbog.
    Er war Dougie Smith – Smith war der Nachname seines verstorbenen Onkels gewesen und der Name, den er immer getragen hatte –, doch laut seiner Geburtsurkunde war er Drogo Montpelier. Vielleicht war er auch der Herzog von Lenchester, doch im Augenblick war er ein Matrose, der eine anständige Mahlzeit brauchte, ein Bad und ein Bett, exakt in dieser Reihenfolge. Der Anwalt hatte ihm in seinen Briefen die Familienkonstellation hier in England dargelegt und ihm erklärt, der Tod des letzten Herzogs und seines Sohns und Erben bedeute, dass er, der Enkel des Großonkels des verstorbenen Herzogs – wenn er das denn tatsächlich war –, jetzt der Nächste in der Erbfolge war.
    Doch was war mit der Witwe des letzten Herzogs, die inzwischen wieder geheiratet hatte? Was war mit seiner Tochter, Lady Emerald? Dougie konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihn willkommen heißen würden, wenn er in ein Territorium drängte, das sie gewiss als das ihre betrachteten.
    Er mochte nicht viel über die britische Oberschicht wissen, doch eines war ihm klar: Wie jede andere eng verbundene Gemeinschaft würde sie einen Außenseiter auf den ersten Blick erkennen und die Reihen schließen. Das war der Lauf der Welt, und obendrein war es nur natürlich.
    Eine junge Frau mit müden Augen und blässlicher Haut, in schäbigen Kleidern, die Haare strohgelb gefärbt, drückte sich von der Mauer ab, an der sie gelehnt hatte, und rief: »Willkommen zu Hause, Seemann. Wie wär’s, willst du ’nem hübschen Mädchen was zu trinken

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