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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Wekwerth
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breitem Lächeln in die Kamera und hasste sich selbst. Doch sie wurde ganz gut bezahlt, und manchmal sprach sie jemand auf der Straße an, was sie enorm genoss, was sie aber auch dazu zwang, immer gut aussehen zu müssen. Eine weitere Macke: Sie legte sogar Lippenstift auf, wenn sie um Mitternacht den Mülleimer runterbrachte. Es könnte ja sein, dass sie auf der Treppe ins Stolpern geraten, sich mehrmals überschlagen und tödliche Verletzungen zuziehen würde. Dann wollte sie wenigstens eine halbwegs attraktive Leiche abgeben, wenn sie schon neben einer zerrissenen Mülltüte ihr Ende finden sollte.
    Natalie ließ die Haustür hinter sich zufallen. Sie stand nun auf der sonnigen Leonhardtstraße und schüttelte den Kopf über ihren letzten Gedankengang. Das war auch lästig: dass sie immer so viele Bilder vor Augen hatte. Andauernd kamen ihr merkwürdige Assoziationen und Ideen. In aller Deutlichkeit sah sie sich mit gebrochenen Gliedmaßen am Fuße einer Treppe liegen (genau so wie Meryl Streep in Der Tod steht ihr gut ), ihr schimmerndes Haar wie einen Fächer um ihren um 180 Grad verdrehten Kopf gebreitet, neben sich bedauerlicherweise diese geplatzte Mülltüte, aus der feuchter Kaffeesatz quoll, ein ungelesener heiterer Frauenroman, gefolgt von bräunlich angelaufenen Bananenschalen. Moment mal – Natalie blinzelte angestrengt in die Sonne –, sie mochte überhaupt keine Bananen. Aber heitere Frauenromane, wenn sie wirklich witzig geschrieben waren, wie die von Sophie Kinsella und Kerstin Gier, eigentlich ganz gerne. Natalie durchforstete ihre Handtasche nach einer Sonnenbrille. Ein Pochen über der rechten Augenbraue kündigte Migräne an. Seufzend gab sie die Suche auf und lief langsam in Richtung Stuttgarter Platz davon. Sie musste bis morgen noch zwei Kolumnen schreiben (eine übers Kochen für La Cuisine , eine übers Leben für Divina ), aber sie würde sich jetzt trotzdem die Zeit für einen Milchkaffee auf der Straßenterrasse vom Café Dollinger nehmen, Leute beobachten, ein paar Notizen machen und eine Formigran schlucken.
    ▶◀
    Theodor gähnte. Ein Blick auf den Terminplaner sagte ihm, dass ihm jetzt gleich Heinz Schleyberger bevorstand, ein übergewichtiger Mittsechziger, der sich Frauen überlegen fühlte, aber unbedingt eine Beziehung eingehen wollte. Bedauerlicherweise wollte niemand eine Beziehung mit ihm eingehen, was er überhaupt nicht verstehen konnte. Zahlreiche Kontaktanzeigen hatten ihm kein Glück gebracht. Dass dies eigentlich kein Grund war, einen Therapeuten aufzusuchen, schien ihm nicht einzuleuchten.
    Theodor fühlte sich seit längerer Zeit unterfordert. Hinz und Kunz gingen heutzutage zum Therapeuten. Und Schleyberger eben auch. Theodor gähnte noch einmal. Dabei knackte sein Kiefer.
    Die Frau eben, die schien wirklich ein Problemchen zu haben. Sie sprach nun schon zum dritten Mal ziemlich genau fünfundfünfzig Minuten lang sprunghaft und hektisch über Banalitäten, als umkreise sie verbal einen wunden Punkt. Neulich hatte sie sogar Bemerkungen über das Wetter gemacht. Erst in den letzten fünf Minuten ließ sie sich etwas Tiefgründigeres aus der Nase ziehen. Bisher war es immer um ihren Vater gegangen. Sie war ein Einzelkind, so viel hatte Theodor herausbekommen.
    Er stand auf, um die Fenster zu öffnen. Durch die Äste der Linden hindurch hätte er Natalie an einem kleinen runden Tisch auf dem Trottoir in der Sonne sitzen sehen können. Sie träufelte gerade Bachblüten-Notfalltropfen in ihren Milchkaffee. Aber in diesem Augenblick ertönte die Klingel, und Theodor ging zur Tür. Es war Heinz Schleyberger, atemlos vom Treppensteigen.
    »Tach, Herr Doktor.«
    »Guten Morgen.« Theodor ließ ihn eintreten und an der Garderobe ablegen. Nur Frauen nahm er die Mäntel ab, Männer konnten das allein erledigen. Dann deutete er auf die rote Couch und setzte sich wieder an seinen gläsernen Schreibtisch.
    »Habe mich mit einer Dame namens Matilde getroffen«, erstattete Heinz Schleyberger Bericht. »Sie kam mit fünfzehnminütiger Verspätung, entschuldigte sich aber dafür, was ich als ein gutes Zeichen wertete, denn es war doch immerhin höflich. Verspäten kann sich ja jeder mal, sagte ich zu ihr, aber eigentlich glaube ich, dass man nur früh genug losgehen muss, und dann kommt man auch nicht zu spät. Und wer zu spät kommt, der hat seinen Termin von vorneherein nicht so ernst genommen. Und das sagte ich auch der Matilde, aber als sie sich so nett entschuldigte, da dachte

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