Ein Kapitän von 15 Jahren
ausgetobt hatte, blieb die Witterung doch stets sehr trübe. Es war jetzt nämlich die Zeit der »Masika«, d.i. die zweite Periode der Regenzeit unter dieser Zone des afrikanischen Himmels. Noch eine, zwei oder drei Wochen drohte Regen mindestens während der Nächte, ein Umstand, der die Mühsale der Karawane nur zu steigern geeignet schien.
Sie brach an diesem Tage bei bedecktem Himmel auf und wandte sich von dem Ufer der Coanza ziemlich genau nach Osten.
Etwa fünfzig Soldaten marschirten an der Spitze, je hundert an den beiden Seiten des Zuges, die übrigen als Nachtrab hinter diesem. Eine Flucht wäre für die Gefangenen, selbst ohne ihre Fesseln, gewiß sehr schwierig gewesen. Männer, Frauen und Kinder wanderten bunt durcheinander und die Havlidars trieben sie mit Peitschenhieben zur Eile an. Unter jenen schleppten sich unglückliche Mütter dahin, die, während sie ein kleines Kind nährten, mit dem freibleibenden Arme noch ein zweites trugen. Andere zogen die kleinen nackten und barfüßigen Wesen über das spitze Gras des Bodens hinter sich her.
Der Chef der ganzen Karawane, jener wilde Ibn Hamis, der bei Dick Sand’s Streite mit seinem Havildar intervenirte, überwachte die ganze Menschenheerde und war bald an der Spitze, bald am Ende des langen Zuges. Kümmerten sich seine Agenten, wie er selbst, auch blutwenig um die Leiden ihrer Gefangenen, so mußten sie doch auf die Soldaten, welche eine Lohnzutage verlangten, oder auf die Pagazis, wenn diese ausruhen wollten, entschieden mehr Rücksicht nehmen. Dadurch entstanden wiederholt Zänkereien, welche nicht selten zu brutalen Thätlichkeiten ausarteten. Die Sklaven aber hatten unter dieser stets gereizten Stimmung der Havlidars nur doppelt zu leiden. Man hörte nichts Anderes mehr als Drohungen von der einen und Klagerufe von der anderen Seite, und Diejenigen, welche in den letzten Reihen marschirten, gingen über einen Erdboden, den das Blut ihrer Vordermänner röthete.
Die Gefährten Dick Sand’s, welche stets sorgfältig in der ersten Abtheilung des Zuges gehalten wurden, konnten mit diesem unmöglich in Verbindung treten. Sie gingen reihenweise, eingeklemmt in die beschriebene schwere Holzgabel, welche jede Bewegung des Kopfes verhinderte. Die Peitschen schonten sie nicht weniger als ihre anderen bedauernswerthen Schicksalsgenossen.
In einer Koppel mit seinem Vater ging Bat vor diesem her, bemühte sich nach Kräften, die Gabel vor Stößen zu bewahren, und wählte sorgsam die besten Wege aus, die der alte Tom ja nach ihm gehen mußte. Von Zeit zu Zeit, wenn der Havildar ein wenig zurückblieb, flüsterte er einige ermuthigende Worte, welche Tom doch theilweise hörte. Er versuchte sogar seinen Schritt zu verlangsamen, wenn er bemerkte, daß Tom ermüdete. Es war eine schwere Strafe für den braven Sohn, nicht einmal den Kopf nach dem geliebten Vater umwenden zu können. Tom hatte wohl die Befriedigung, seinen Sohn zu sehen, er bezahlte diese aber sehr theuer. Wie oft stürzten schwere Thränen aus seinen Augen, wenn Bat die Peitsche des Havlidars traf. Es war ihm schmerzlicher, als hätte sie seinen eigenen Rücken getroffen.
Austin und Acteon marschirten einige Schritte hinter ihnen; auch sie waren zusammengefesselt und jeden Augenblick der rohesten Behandlung ausgesetzt. O, wie beneideten sie Herkules’ Loos! Welche Gefahren jenen auch in diesem entsetzlichen Lande bedrohen mochten, er konnte doch seine Kräfte gebrauchen und sein Leben vertheidigen.
Während der ersten Minuten ihrer Gefangenschaft hatte der alte Tom seinen Gefährten endlich auch die Wahrheit in ihrem vollen Umfange mitgetheilt. Zum größten Erstaunen erfuhren sie von ihm, daß sie in Afrika seien, daß der doppelte Verrath Negoro’s und Harris’ sie erst hierher verschlagen und dann erst landeinwärts geschleppt habe, und daß sie seitens ihrer jetzigen Herren auf Erbarmen bestimmt nicht rechnen durften.
Auch Nan traf keine bessere Behandlung. Sie war einer Gruppe Frauen zugetheilt, welche die Mitte des Zuges einnahmen, und zusammengefesselt mit einer jungen Mutter von zwei Kindern, deren eines diese noch an der Brust hatte, während das andere, im Alter von drei Jahren, kaum mitlaufen konnte. Von Mitleid bewegt, hatte Nan sich des kleinen Wesens angenommen und die arme Sklavin ihr durch eine Thräne gedankt. Nan trug also das Kind und ersparte diesem damit nicht nur die Strapazen, denen es unterlegen wäre, sondern auch die sonst gewiß nicht ausgebliebenen
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