Ein Kapitän von 15 Jahren
lassen hier einige Notizen Dick Sand’s aus den Tagen der Reise von der Coanza bis Kazonnde folgen. Dieser Zug von 250 Meilen erforderte 25 »Märsche«, da man einen »Marsch« (nach der Ausdrucksweise der Agenten) täglich zu je 10 Meilen bemaß.
– Vom 25 bis 27. April. – Ein von 21/2, bis 23/4 Meter hohem Schilfrohr umgebenes Dorf gesehen. Die Felder bestellt mit Mais, Bohnen, Sorgho und verschiedenen Arachiden (Erdnußbäumen). Zwei Neger eingefangen. Fünfzehn getödtet, die Bewohner auf der Flucht.
Am anderen Tage über einen 150 Yards breiten, rauschenden Fluß gesetzt. Baumstämme mit Lianen verbunden, dienten als Flöße. Eines derselben zerriß. Zwei mit einem Gabelholz gefesselte Weiber, deren eines sein Kind trug, in’s Wasser gestürzt. Das Wasser wird unruhiger und röthet sich von Blut. Krokodile gleiten unter die verbundenen Stämme. Man kommt in Gefahr, den Fuß in ihren geöffneten Rachen zu setzen.
– Am 28. April. – Einen Bauhinienwald passirt. Hochstämmige Bäume, die den Portugiesen das Eisenholz liefern.
Starker Regen. Boden erweicht. Gehen sehr beschwerlich.
In der Mitte des Zuges die arme Nan gesehen, die noch einen kleinen Negerknaben trägt. Sie schleppt sich nur mühsam fort. Die mit ihr zusammengefesselte Sklavin hinkt und von ihren Schultern tröpfelt das Blut in Folge der grausamen Peitschenschläge.
Abends gerastet unter einem enormen Affenbrotbaum mit weißen Blüthen und zartgrünem Laube.
In der Nacht Gebrüll von Löwen und Leoparden. Ein Eingeborner giebt einen Schuß auf einen Panther ab. Was macht Herkules?
– Am 29. und 30. April. – Die erste Kälte des sogenannten afrikanischen Winters. Sehr reichlicher Thau. Ende der mit November beginnenden Regenzeit gegen Ausgang April. Die Ebenen noch vielfach überschwemmt. Ostwind, der die Transpiration aufhebt, aber die Empfänglichkeit für Sumpffieber steigert.
Keine Spur von Mistreß Weldon oder Herrn Benedict. Wohin führt man wohl diese, wenn nicht nach Kazonnde? Sie werden denselben Weg, wie die Karawane, aber vor uns eingeschlagen haben. Die Unruhe verzehrt mich. Der kleine Jack wird in dieser ungesunden Gegend das Fieber wieder bekommen haben. Ist er überhaupt noch am Leben?…
– Vom 1. bis 6. Mai. – Während mehrerer Tagemärsche durch weite Ebenen gezogen, welche die starke Verdunstung noch immer nicht trocken zu legen vermochte. Das Wasser reicht uns manchmal bis zum halben Leibe. Unzählige Blutegel saugen sich an die Haut an. Dennoch muß Alles ohne Erbarmen weiter. Auf vereinzelt hervorspringenden Höhen Lotospflanzen und Papyrusstauden. Unter dem Wasser eine Menge kohlartiger Pflanzen, über welche der Fuß stolpert, so daß Viele dabei umfallen.
In dem Gewässer tummelt sich eine beträchtliche Menge kleiner, dem Geschlechte der Welse zugehöriger Fische, welche die Eingebornen zu Milliarden zwischen Flechtwänden aufbewahren und an die Karawanen verkaufen.
Es ist unmöglich, für die Nacht einen Lagerplatz zu finden. Man sieht noch kein Ende der überflutheten Fläche. Nun muß auch während der Nacht marschirt werden. Morgen werden nicht wenig Sklaven aus dem Zuge fehlen. Welch’ ein Elend! Wer da fällt, warum sollte er aufstehen? Einige Minuten länger unter dem Wasser und Alles ist vorüber. Dann trifft der Stock des Havildars Niemanden mehr!
Ja – aber Mistreß Weldon und ihr Sohn! Ich habe nicht das Recht, sie zu verlassen! Ich werde ausharren bis an’s Ende, das ist meine Pflicht!
Ein schreckliches Geschrei gellt durch die Nacht.
Zwanzig Soldaten haben Zweige der harzreichen, aus dem Wasser emporragenden Bäume abgerissen. Durch die Finsterniß glimmt ein unbestimmbares Leuchten.
Ein Angriff von Krokodilen war die Ursache jenes plötzlichen Lärmens. Zwölf bis fünfzehn dieser Ungeheuer stürzten sich in der Dunkelheit auf die eine Seite der Karawane. Frauen und Kinder wurden von ihnen erhascht und nach ihren »Weideplätzen« geschleppt. So bezeichnete Livingstone die tieferen Löcher, in welchen diese Amphibien ihre vorher ertränkte Beute niederlegen, denn sie verzehren dieselbe nur, nachdem sie bis zu gewissem Grade zersetzt ist.
Ich selbst ward von dem Panzer eines solchen Krokodills hart gestreift. Ein erwachsener Sklave in meiner Nähe wurde erfaßt und von dem Gabelholze, das ihn am Halse fesselte, losgerissen. Die Gabel zerbrach dabei. Noch höre ich sein verzweifeltes Geschrei, sein Heulen vor wüthendem Schmerze!
– Am 7. und 8. Mai. – Tags darauf forschte man
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