Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
beenden, nur mit einer einzigen, ebenso bizarren wie vielsagenden Erwiderung: »Nach unseren Gesetzen kann nichts von dem, was wir tun, als illegal betrachtet werden.« Als ich ihn darauf aufmerksam machte, dass das Vorgehen der Taliban zu weiteren Sanktionen führen könnte, einschließlich eines internationalen Reiseverbots, sah er mich erstaunt an und entgegnete: »Reisen? Warum sollten wir reisen? Wir wollen nirgendwo anders hin.«
Die Buddhastatuen waren jedoch nur ein Thema unseres Gesprächs. Da die UNO schon seit langem eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung humanitärer Hilfe für die afghanische Bevölkerung spielte, brauchte sie die Zusicherung, ihre Arbeit fortsetzen zu können, ohne angegriffen zu werden. In diesem Punkt sagte Mutawakil seine Unterstützung zu, und dies gab mir einen Einstieg in ein Thema, von dem ich wusste, dass es heikel war – wie heikel, sollte ich bald entdecken.
Man hatte mich – in einer streng geheimen Anfrage – gebeten, Mutawakil nach der Anwesenheit eines Mannes in Afghanistan zu fragen, den man damals noch UBL nannte – Osama bin Laden. Könnten die Taliban eventuell unter gewissen Umständen einem Austausch unter Einbeziehung dieses Mannes zustimmen? Ich unterstrich, dass diese Frage hohe Priorität besäße und den Taliban beträchtliches Wohlwollen entgegenschlagen würde, wenn in dieser Sache eine Vereinbarung erzielt werden könne. Mutawakils Erwiderung – und seinem Blick, in dem sich Furcht mit Empörung mischte – war zu entnehmen, welchen Einfluss UBL in Afghanistan besaß. Ein Austausch unter Einbeziehung ihres »verehrten Gastes«, erklärte er so direkt wie möglich, komme unter keinen Umständen in Frage. Das Treffen wurde abrupt beendet, doch es blieb mir bis zu jenem schicksalhaften Tag, an dem UBL die Welt veränderte, lebendig im Gedächtnis.
Die Vereinten Nationen spielten im Libanonkonflikt von Anfang an eine entscheidende Rolle. Der Angriff, der die Feindseligkeiten auslöste, war über eine von der UNO gezogene und sanktionierte Grenze erfolgt. Die Sicherheitsratsresolutionen 1559 und 1680 hatten zuvor die Hauptbedingungen für den Frieden im Libanon festgelegt: Rückzug der syrischen Truppen, Entwaffnung der Hisbollah und Regierungskontrolle über das gesamte libanesische Territorium. Nachdem die Kämpfe von neuem ausgebrochen waren, war klar, dass jede erdenkliche Lösung die Autorität des Sicherheitsrats sowie die nötigen Mittel erforderte, um dessen Willen durchzusetzen.
Um den Israelis zusichern zu können, dass nach ihrem Rückzug die Hisbollah nicht einfach in ihre früheren Stellungen zurückkehren würde, musste ich eine neue, verstärkte friedenserhaltende Truppe aufstellen, die den grenzüberschreitenden Angriffen ein Ende setzen konnte. Condoleezza Rice – die zwischen Washingtons Absicht, den Israelis mehr Zeit für ihre Luftangriffe zu verschaffen, und der Erkenntnis, welchen Schaden die Vereinigten Staaten sich selbst zufügten, wenn sie weiterhin zusahen, wie der Libanon attackiert wurde, gefangen war – rief mich an, um mir einen Zweistufenplan für die Entsendung von Truppen vorzuschlagen. Zuerst, erklärte sie, könnte man auf einer »humanitären Stufe« Katastrophenhelfer einsetzen, die während des Abzugs der Hisbollah bei den israelischen Truppen stationiert sein sollten. Anschließend könnten dann internationale Truppen zur Verstärkung der Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon ( UNIFIL ) entsandt werden.
Es handelte sich somit um einen weiteren Versuch, die Beendigung der Gewalt an Bedingungen zu knüpfen, eine Abfolge, die, wie ich aus langer Erfahrung wusste, nicht funktionieren würde. Unter Hinweis auf die Geschichte der Anstrengungen der UNO in Afrika und auf dem Balkan erwiderte ich auf Rice’ Vorschlag, dass alle Parteien sich parallel bewegen müssten; Israel, die Hisbollah und die internationalen Truppen müssten gleichzeitig neue, allseits annehmbare Positionen einnehmen.
Diese Schlussfolgerung war mir nicht leichtgefallen. Ich wusste, welchen Preis die Entsendung von Friedenswahrern forderte, wenn Mandat, Ressourcen, Führung und Siegeszuversicht fehlten. Ich hatte mit eigenen Augen gesehen, wie viel vernichtete Leben und zerstörte Hoffnungen ein Scheitern mit sich brachte. In meiner Amtszeit als Beigeordneter Generalsekretär für friedenssichernde Einsätze musste die UNO einige der traumatischsten Erfahrungen ihrer Geschichte machen. In einem Fall, in Bosnien, war sie
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