Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich...
14.05.: Saint- Jean-Pied-de -Port – Roncesvalles (26,9km)
Mein Wecker sollte um 6:30 Uhr klingeln. Denkste, die USA
sind früher dran. Ihrer klingelt um 6:00 Uhr. Wenn drei Leute aufstehen – auch
wenn sie sich Mühe geben, leise zu sein – ist an Schlaf nicht mehr zu denken.
Also raus, komme ich halt auch früher los. Frühstück habe ich mitgebucht (20
Euro für Bett/Frühstück; ich freue mich wieder auf meinen ersten Latte
Macchiato in meinem Stammcafé). Es ist genügend da, sowohl Kaffee als auch
Weißbrot mit Marmelade und auch eine Art süßer Quiche, aber ich denke, von
gewohnter Frühstückskultur werde ich mich die nächsten Wochen verabschieden
können. Sowohl in Frankreich als auch in Spanien wird anders gefrühstückt.
Es ist übrigens heute neblig, diese Nacht hat es geregnet
und auch als ich um 7:30 Uhr meine ersten wirklichen Schritte als Pilger
tätige, fühle ich mich an die erste Etappe von Hapes Camino erinnert. Um es
kurz zu machen: es ist ein wundervoller Ausblick über die Weiten der Pyrenäen,
die Sonne scheint und es ist wundervoll – denkste! Eben wie bei Hape läßt der
erste Regenguss nicht lange auf sich warten, der zweite auch nicht. Zudem wird
es oben wirklich frisch. Handschuhe, die ich nicht dabei habe, hätte ich gut
gebrauchen können. Aber trotz Nebel und Regen – übrigens weiß ich um die
Bedeutung der Definition Nebel nun wirklich Bescheid: Nebel = Mit Wasser
gesättigte Luft; bedeutet im Klartext: „Wanderst Du mehrere Stunden im Nebel,
kommt das Wasser auch dahin, wo es trotz Rucksackregenschutz nicht hin soll“ –
bin ich wider Erwarten um kurz vor 14:00 Uhr in Roncesvalles. Ich steige in der
dortigen Pilgerherberge ab und genehmige mir erst einmal eine heiße Dusche.
Heute Nacht wird der erste Härtetest: Wir liegen schön renoviert, durch
Zwischenwände getrennt, aber immerhin mit 136 Leuten, im selben Luftraum. Wenn
das Fenster heute zu bleibt wird es eng. Der erste Schnarcher läuft sich dann
auch schon am Nachmittag warm, um heute Abend in Topform aufwarten zu können.
Man darf gespannt sein. Gleich geht es zum Pilgermenü und dann werden die
Vorbereitungen für morgen getätigt.
15.05.: Roncesvalles – Villava (39km)
Um 5:00 Uhr wache ich auf. Das erste verwöhnte Einzelkind
ohne jegliche Sozialkompetenz macht sich ohne Rücksicht auf Verluste Richtung
Bad auf, begleitet von seinesgleichen mit der fixen Idee, sich lauthals vermutlich
Witze zu erzählen. Es gibt Momente im Leben eines Pilgers, in denen man alles
andere als entspannt ist. Ab da geht es los. Wenn der erste Krach gemacht hat,
ist die Ruhe vorbei. Um 6:00 Uhr scheint es in manchen Herbergen Usus zu sein,
besinnliche Musik laufen zu lassen. Es klingt wie der Paffendorfer Kirchenchor
(Anm.d.R.: stark überaltert und an der gesamten Tonleiter vorbei). In diesem
Moment kann ich mir bei dem Gedanken, die CD gegen ACDCs „Highway to Hell“
auszutauschen, ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.
Was die Schäfchen wohl machen würden? Es gäbe bestimmt eine
Neuauflage der spanischen Inquisition.
Nachdem die Masse an Pilgern durch das Bad und aus der Tür
hinaus ist, mache ich mich soweit fertig um gegen 7:30 Uhr die Schuhe zu
schnüren und mich auf mein erstes Etappenziel „Zubiri“ zu machen. Unterwegs
laufe ich noch an einer am Abend vorher empfohlenen Bar vorbei und kaufe mir
ein Boccadillo (Baguette), bevor es dann wirklich los geht. Es ist immer noch
kalt und nass. Bis Zubiri sollte sich dies auch nicht wesentlich ändern. In
Zubiri angekommen muss ich feststellen, dass es trotz meines späten Beginns
erst 13:00 Uhr ist. Also tue ich mich mit Antje zusammen, einer Zahnärztin aus
Bielefeld, die ebenfalls noch nicht in einer Herberge einkehren möchte. Der
überwiegende Teil der Pilger beendete für heute die Etappe.
Unser zweites Ziel liegt noch einmal ca. fünf Kilometer
weiter. Durch die durchdringende Sonne und mitten ins Gespräch vertieft, fällt
uns leider viel zu spät auf, dass wir Larrasoana um gut fünf Kilometer verpasst
hatten. Die einzige Möglichkeit ist weiterwandern, so dass wir gegen 18:00 Uhr
nach knapp 40 Kilometern völlig erschöpft in Trinidad de Arre (Villava)
ankommen.
Wir beziehen die erstbeste Herberge, die – welch ein
Glücksfall – klein und beschaulich von einem sehr netten Priester geführt wird,
der uns gleichzeitig zu einer kurzen Pilgerandacht in vier Sprachen am nächsten
Morgen einlädt. Wir versorgen an diesem Abend nur noch die Füße, duschen,
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