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Ein leicht versalzenes Jahr

Ein leicht versalzenes Jahr

Titel: Ein leicht versalzenes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frieda Lamberti
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Boot und schaue dich um.«
Er streckt mir seinen braun gebrannten Arm entgegen und greift nach meiner Hand. Gelegenheit, Widerstand zu leisten, gibt er mir nicht. Nun stehe ich auf dem stinkenden Fischdampfer und weiß nicht, was ich mir anschauen soll. Die vielen Taue und Netze? Die Kübel mit Fischabfällen? Meine Beine lassen schon wieder nach und ich möchte dringend wieder zurück an Land und festen Boden unter den Füßen spüren.
   »Beeindruckend«, sage ich und klettere schnell zurück zu Maria, die mich erstaunt ansieht.
   »Ist dir nicht gut? Du bist weiß wie eine Wand.«

Erst zu Hause erzähle ich ihr von meiner Boot Phobie.
   »Das ist aber schade, Carlotta. Das einzige Hobby, das dein arbeitswütiger Mann hat und ausgerechnet dabei kannst du ihn nicht begleiten.«
Sie meint, dass man gegen seine Ängste ankämpfen muss und in meinem Alter wird es allerhöchste Zeit.
   »Mensch, reite nicht ewig auf meinem Alter herum, du alte Schachtel!«
   »Versprochen, aber nur wenn du mir versprichst, mit Luigi eine Bootstour zu machen. Sein Kahn ist unsinkbar und wenn du willst, dann komme ich mit.«
Ich zeige ihr einen Vogel, aber sie lässt nicht locker.
   »Mit dem Fischkutter fangen wir an.«
   »Und dann?«
   »Dann steigern wir uns. Motoryacht und schließlich ein Ausflug auf einem Segelboot. Mein Neffe arbeitet im Yachthafen, der wird schon etwas für uns organisieren.«
   »Weißt du eigentlich, was du von mir verlangst?«
   »Zier dich nicht! Du bist kein kleines Mädchen mehr.«

Der erste Ausflug mit dem Fischkutter gleicht eher einer gemütlichen Butterfahrt. Das Meer ist spiegelglatt und Luigi schenkt unentwegt Grappa aus. Nebenbei wirft er seine Netze aus und singt dabei. Sofort muss ich an Caruso denken. An diesen feinen, gepflegten Mann, der mit meinem temperamentvollen Bootsführer nun gar keine Ähnlichkeit hat.
   »Angst?«, ruft er mir zu. Wenn Angst, dann nur vor dir. Nun will er auch noch mit mir tanzen und legt seine schmuddeligen Hände auf meine Hüften. Besser gesagt an den Teil meines Körpers, wo andere Frauen Hüften haben. Sein Kommentar folgt sogleich.
   »Du musst essen, Carlotta. Du hast nur Knochen.«
   »Sie isst ja auch nur Fisch und Salat«, mischt Maria sich ein. Ich habe genug von der andauernden Nörgelei über meine Figur. Fortan wähle ich zweimal täglich Pasta als Beilage.

   »Hey, Schatz, erholst du dich?«
   »Oh Martin, es ist einfach zu schön hier.«
   »Und? Hast du die Mauer schon übersprungen?«
   »Noch nicht. Ist Anja noch da?«
   »Ja, sie arbeitet fast rund um die Uhr.«
   »Gut, dann bleibe ich noch.«
   »Lotte!«
   »Schlaf gut.«

Die versprochene Motoryacht ist ein kleines Boot mit einem 30 PS starken Außenbordmotor.
   »Auf keinen Fall werde ich in diese Nussschale einsteigen«, empöre ich mich und will gerade den Rückweg antreten, als Luigi sagt, dass ich keine Angst haben muss.
   »Wir fahren nicht weit raus. Und wenn du dich traust, dann schwimmen wir im Meer. Ich werde ganz nah bei dir sein.«
Schlimmer geht’s nimmer, denke ich. Aber ich erinnere mich an das Gespräch mit Maria. Ja, ich will meine Ängste überwinden.

In Woche vier leiste ich eine Unterschrift. Charlotte Talbach unterzeichnet tatsächlich einen Vertrag für einen Segelkursus. Ich fühle mich stark. Ich könnte Bäume ausreißen. Ich habe endlich meine Mitte gefunden , schreibe ich Linde abends als SMS. Kurz darauf ruft sie mich an.
   »Wie kommt es so plötzlich? Was ist passiert?«
   »Ich weiß jetzt, worauf es ankommt. Seit vier Wochen bewohne ich ein Zimmer, ausgestattet mit einem Bett und einem Schrank. Mehr nicht. Weil ich nicht mehr brauche. Ich schlafe jede Nacht durch. Keine Lärmbelästigung von meinem Nachbarn. Ich sorge mich nicht ums Geschäft. Ehrlich gesagt, ist es mir völlig egal, wie es läuft. Ich habe nicht einmal mit Sören telefoniert und gefragt, ob alles in Ordnung ist. Hier scheint die Sonne und alle Menschen sind so freundlich.«
   »Und Martin?«
   »Martin arbeitet und wartet auf meine Rückkehr.«
   »Ob du ihn vermisst, will ich wissen.«
   »Ja, jeden einzelnen Tag.«
   »Dann hast du deine Mitte noch nicht gefunden.«

Ich fühle mich wunderbar. Der Holländer, der mit mir gemeinsam den Segelkurs besucht, ist einfach urkomisch. Ständig kichern wir zusammen und unter uns, ich finde, dass er sich ziemlich paddelig

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