Ein leicht versalzenes Jahr
selbstständig, hatte eine eigene Immobilie und was habe ich jetzt? Gerald sitzt auf meinem Geld wie eine Glucke auf ihren Eiern. Ich habe den ganzen Verkaufserlös in seinen bescheuerten Umbau investiert und die ganze Zeit ohne einen Pfennig Lohn für ihn geschuftet. Ich gebe ihm eine Woche. Rückt er dann nicht mit dem Geld heraus, dann stecke ich ihm seine Hütte an.«
»Gute Idee, Anja. Mach deine Töchter auch gleich obdachlos. Komm zur Vernunft! Deine Hasspredigen helfen dir jetzt auch nicht weiter. Und zieh dir bitte etwas über. Martin steht auch gleich auf. Sein erster Blick muss ja nicht unbedingt auf deine Möpse fallen.«
»Wer hat, der hat. Nur kein Neid, Skeletor!«
Wie schon in den vergangenen Wochen bringt Adina zum Arbeitsbeginn Brötchen vom Bäcker mit, die wir während der Pause zusammen verdrücken. Martin ist gestern erst spät heimgekommen und hat mich gebeten, ihn ausschlafen zu lassen. Eine gute Gelegenheit, ihn mit einem Frühstück am Bett zu überraschen. Mit einem Tablett in der Hand steige ich die Treppe hinauf und balanciere sein Gedeck aus Tee, Orangensaft und lecker belegten Semmeln ins Schlafzimmer. Beim Anblick aufs Bett trifft mich fast der Schlag. Anja liegt in meiner Hälfte und kuschelt sich genüsslich an meinen Mann. Sie ist nur mit einem Negligé bekleidet und flüstert ihm kichernd ins Ohr.
»Ich zähle bis drei und dann hast du dich aus meinem Bett verzogen«, schreie ich aufgebracht.
»Reg dich ab! Ich habe mich nur mit Martin unterhalten.«
»Eins, zwei....«
»Meine Güte, was spielst du dich auf. Früher haben wir doch auch alles geteilt«, lacht sie mich aus und geht aus dem Zimmer.
»Früher hattest du auch noch einen Funken Anstand«, rufe ich ihr aufgebracht hinterher.
»Und du Seibert? Du scheinst es ja wohl sichtlich zu genießen......«
»Sie hat mich nur gefragt, ob ich einen Job für sie habe. Mehr nicht.«
»Einen Blowjob? Schade, da ich kann ich mit meinem lächerlichen Frühstück nicht konkurrieren.«
»Sei nicht albern, Lotte.«
»Ich will, dass sie geht. Noch heute.«
»Du reagierst über. Es war wirklich nichts. Du kannst sie in ihrer Situation doch nicht vor die Tür setzen.«
Ich bin fassungslos und fühle mich schamlos ausgenutzt und hintergangen. Seit Wochen wohnt sie nun schon hier und genießt meine Gastfreundschaft. Aber das scheint wohl noch nicht genug zu sein. Oder steckt ein Plan dahinter?
»Mensch Lotte, krieg dich wieder ein. Ich habe ihn wirklich nur gefragt, ob er mir bei der Jobsuche behilflich sein kann.«
»Und kann er?«
»Nein, kann er nicht.«
»Aber ich kann! Ab sofort hast du einen Posten in meiner Küche. Zunächst zur Aushilfe. Ganztags. Du übernimmst meine Aufgaben. Denn ich bin weg!«
»Wo willst du denn schon wieder hin?«, schreit Martin mich an.
»Ich besuche Maria. Wie lange ich bleibe, hängt davon ab, wie lange du dieser Nymphomanin noch Asyl gewährst. Ich komme erst zurück, wenn sie ausgezogen ist und die Betten frisch bezogen sind.«
»Wie kindisch ist dein Verhalten. Soll das jetzt etwa zur Gewohnheit werden, dass du jedes Mal abhaust, wenn dir etwas nicht passt?«
»Spiele du den Seelentröster. Ich stehe für diese Aufgabe nicht mehr zur Verfügung. Es wird Zeit, dass ich mich endlich mal um mich kümmere.«
Ich gehe zurück in die Küche und spreche mit Sören. Er kommt auch ohne mich klar. Prima. Ein Blick in die Reisportale im Internet und ich buche einen Flug mit der Alitalia. Maria freut sich und verspricht, dass Alfredo mich vom Flughafen abholt. Als ich Sergio über meine Reispläne unterrichte, bittet er mich, noch ein kleines Paket von ihm für seine Mamma mitzunehmen.
»Mein Flug geht um 13.35 Uhr. Treffen wir uns um viertel vor in der Abflughalle.«
Martin steht hinter mir und belauscht kopfschüttelnd meine Telefonate.
»Bringst du mich zum Flughafen oder soll ich mir ein Taxi nehmen?«
Er will mich bringen. Während der Fahrt, fragt er mich, was mit mir los ist.
»Du benimmst dich....«
»Anstrengend? Ja, du hast bestimmt Recht. Bestimmt ist es nicht einfach mit mir. Aber ich selbst bin seit langer Zeit auch nicht glücklich. Ja, hin und wieder für einen Augenblick. Aber eigentlich bin ich die ganze Zeit im Schatten. Bei meinen vielen Versuchen, wieder auf die Sonnenseite zu springen, pralle ich immer an dieser hohen Mauer ab. Ich will endlich
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