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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Fötenwohnzimmer?«
    »Und was ist dann passiert?«
    »Die Sonne ging unter, und dein Vater kam heraus, um mir eine Jacke zu bringen. Wir haben ein paar Minuten dagesessen, und schließlich sind wir wieder reingegangen.« Sie zuckt mit den Schultern. »Und dann bist du geboren worden, und über was auch immer wir uns gestritten haben, es zählte nicht mehr. Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Die Vergangenheit ist nur ein Sprungbrett für die Zukunft.«
    Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Hast du wieder am Glasreiniger geschnüffelt?«
    »Nein, das ist mein neues Motto. Schau mal.« Die Finger meiner Mutter fliegen über die Tastatur. Der beste Rat, den sie mir je gegeben hat, war der, einen Schreibmaschinenkurs zu machen. Dabei hatte ich mich wie wild dagegen gewehrt. Der Kurs fand im Voc-Tech-Flügel meiner Highschool statt, und von den anderen Kids war keines in meinen Kursen für Hochbegabte. Diese Kinder rauchten vor der Schule, trugen viel zu dick Make-up auf und hörten Heavy Metal. Willst du über andere urteilen oder tippen lernen? , hatte meine Mutter mich gefragt. Zu guter Letzt war ich eines von drei Mädchen, die eine blaue Schleife von der Lehrerin bekamen, weil sie fünfundsiebzig Worte in der Minute tippen konnten. Heutzutage tippe ich natürlich nicht mehr auf einer Schreibmaschine, sondern auf einer Computertastatur, doch jedes Mal, wenn ich einen Patientenbericht schreibe, danke ich meiner Mutter stumm dafür, dass sie sich damals durchgesetzt hat.
    Meine Mutter ruft ihre Facebook-Seite auf, und unter einem Bild von ihr steht tatsächlich dieser kitschige Spruch. »Hättest du meine Freundschaftsanfrage angenommen, wüsstest du, dass das mein neues Motto ist.«
    »Willst du mir jetzt wirklich einen Vorwurf daraus machen, dass ich mich nicht an die Facebook-Etikette gehalten habe?«, frage ich.
    »Ich weiß nur, dass ich dich neun Monate lang unter dem Herzen getragen habe. Ich habe dich gefüttert, dich gekleidet und deine Collegeausbildung bezahlt. Da darf man als Gegenleistung ja wohl einen simplen Klick bei Facebook erwarten.«
    »Du bist meine Mutter. Du musst nicht meine Freundin sein.«
    Sie deutet auf meinen Bauch. »Hoffentlich bricht sie dir genauso das Herz wie du mir.«
    »Wieso bist du überhaupt bei Facebook?«
    »Weil das gut fürs Geschäft ist.«
    Meine Mutter hat drei Kunden, von denen ich weiß, und keinen von ihnen scheint es zu stören, dass meine Mutter weder eine akademische noch sonst eine Ausbildung hat, die sie als Motivationstrainerin qualifizieren würde. Bei der einen Kundin handelt es sich um eine Hausfrau und Mutter, die gerne wieder ins Arbeitsleben zurückkehren würde, jedoch über keine anderen Qualifikationen verfügt als Sandwichschmieren und das korrekte Trennen von Koch- und Buntwäsche. Der zweite Kunde ist ein sechsundzwanzigjähriger Kerl, der vor Kurzem seine leibliche Mutter gefunden, aber Angst hat, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Und der Letzte ist ein ehemaliger Alkoholiker, der es einfach schön findet, sich regelmäßig mit jemandem zu treffen. Das vermittelt ihm ein Gefühl von Stabilität in seinem Leben.
    »Eine Lebensberaterin muss immer auf dem Laufenden sein. Sie muss hip sein«, verkündet meine Mutter.
    »Als du hip warst, hat es das Wort ›hip‹ noch gar nicht gegeben. Weißt du, was ich glaube, worum es hier geht? Letzten Sonntag haben wir ja diesen Film im Kino gesehen …«
    »Der hat mir nicht gefallen. Im Buch war das Ende besser.«
    »Nein, das meine ich nicht. Das Mädchen am Kartenschalter hat dich gefragt, ob du eine Seniorenermäßigung haben willst, und du hast den ganzen Abend keinen Ton mehr gesagt.«
    Sie steht auf. »Verdammt noch mal, sehe ich etwa wie eine Seniorin aus? Ich färbe mir das Haar mit religiösem Eifer. Ich habe eine Epiliermaschine, und ich gucke längst nicht mehr Brian Williams, sondern Jon Stewart.«
    Das muss ich ihr lassen: Sie sieht wirklich deutlich besser aus als die meisten anderen Mütter von Leuten in meinem Alter, die ich kenne. Sie hat das gleiche glatte braune Haar und die gleichen grünen Augen wie ich. Und sie hat diesen flippigen, vielseitigen Stil, der einen unwillkürlich zweimal hinschauen lässt, und man fragt sich, ob sie ihr Outfit wirklich sorgfältig zusammengestellt oder einfach nur in den Tiefen ihres Schranks gekramt hat. »Mom«, sage ich, »du bist die jüngste Fünfundsechzigjährige, die ich kenne. Du brauchst kein Facebook, um das zu beweisen.«
    Es erstaunt mich,

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