Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
spitzen Schrei aus, Mum lachte. Ich rief Jack an. Keiner ging ran. Mist. Ich lief wieder nach unten.
Die Nachbarn waren rübergekommen. Sie standen lachend und schwatzend mit Dad in der Küche und tranken Sekt. Mum telefonierte lautstark mit Granny Betty in Cardiff. Wenn Mum mit ihrer Mutter oder ihren Schwestern spricht, verfällt sie jedes Mal ins Walisische.
»Nein, Lia hat gewonnen … ja … den Jackpot … nein, nicht ich – Lia! «
Granny Betty war schwerhörig.
»Keine Sorge!«, brüllte Mum. »Wir passen schon auf, dass sie nicht das ganze Geld für Drogen ausgibt.«
Unsere Nachbarin Audrey bekam einen Lachanfall und musste aufs Klo rennen.
Mum reichte mir das Telefon weiter. »Granny will dich sprechen.
»Lia!«, bellte Granny so laut, dass ich das Telefon vom Ohr weghalten musste. »Herzlichen Glückwunsch, mein Schatz. Wie geht’s dir denn jetzt?«
»Ich … keine Ahnung.« (Das stimmte.) »Ich bin aufgeregt. Und irgendwie geschockt. Ich weiß gar nicht, was ich jetzt machen soll.«
»Amüsier dich, Herzchen, amüsier dich. Aber lass die Finger von Jungs und Drogen, dann passiert dir auch nichts. Du kennst ja mein Motto: Hauptsache, man wurstelt sich irgendwie durch.«
Oma Betty hat zwei Mottos: »Hauptsache, man wurstelt sich irgendwie durch« und »Nur das Beste ist gut genug.« Mum hat mal gesagt, wenn alle Leute Grannys Wahlsprüche beherzigen würden, würde die Welt im Chaos versinken.
»Mach ich, Granny. Hast du vielleicht einen Wunsch? Ich würde dir gern was schenken.«
Granny prustete los. »Unsinn, Herzchen. Ich bin alt, da hat man keine Wünsche mehr. Gib deinen Gewinn lieber für dich selber und für Natasha aus. Alte Leute brauchen kein Geld. Geld braucht man, wenn man jung ist und das Leben noch vor sich hat.«
»Ist gut.«
»Was macht die Liebe? Grüß Jack von mir.«
»Jack und ich sind kein Paar. Wir sind bloß so befreundet.«
»Ihr beide passt wunderbar zusammen, Herzchen. Hör auf deine alte Granny. Einen wie Jack findest du nicht an jeder Straßenecke.«
Es hatte keinen Zweck. Granny fuhr total auf Jack ab, seit er in die Pubertät gekommen war und sich in einen eins achtzig großen, durchtrainierten, blonden, blauäugigen Typen ohne einen einzigen Pickel verwandelt hatte.
»Also wenn ich sechzig Jahre jünger wäre …«, pflegte Granny so laut zu seufzen, dass es jeder, auch Jack, mitbekam. Jack fand das lustig und flirtete auf Teufel komm raus mit ihr. Aber er war einfach zu jedem nett. Er würde wahrscheinlich auch eine Siebzigjährige nicht von der Bettkante stoßen, aus lauter Angst, sie zu kränken.
»Tschüss, Granny. Hab dich lieb«, sagte ich und gab Mum das Telefon zurück. Dann trank ich einen großen Schluck Sekt. Die Bläschen kitzelten mich im Hals und ich musste niesen.
Mum legte auf. »Granny freut sich sehr für dich und lässt dir ausrichten, du sollst das ganze Geld nicht schon vor deiner Hochzeit ausgeben. Wortwörtlich.«
Weitere Nachbarn kamen. Dad machte noch eine Sektflasche auf und wir fingen an, Preise zu googeln. Was kosteten ein Haus (Mum), ein Auto (Dad), Urlaub (alle), was kosteten Klamotten, Schuhe, Schmuck, Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, Gesangsstunden?
»In London kommt man mit acht Millionen nicht weit«, meinte Dad, nachdem wir uns die Makleranzeigen von ein paar Villen in Hampstead Heath angeschaut hatten. »Warum hast du nicht zwanzig Millionen gewonnen, Lia? Oder am besten gleich vierzig?«
»Sei nicht so gierig, Graham«, sagte ich. »Und überhauptist es mein Geld, nicht deins. Wenn hier jemand ein Haus aussucht, dann ja wohl ich.«
Mum und Dad wechselten einen Blick. »Tja, unsere Lia ist noch ganz die alte«, sagte Mum.
Ich warf ihr einen giftigen Blick zu. Ich hatte keineswegs vergessen, dass sie mich rausgeworfen hatte. Wenigstens konnte ich mir jetzt jede Lederjacke leisten, die mir gefiel. Ob meine Eltern mir das Taschengeld streichen würden? Das wäre echt unfair!
Natasha ging zur Wii-Konsole und legte ihr Karaoke-Spiel ein. Typisch. Meine kleine Schwester tat immer so bescheiden und schüchtern, aber in Wirklichkeit wollte sie unbedingt im Mittelpunkt stehen. Leider war ich die Einzige, die das durchschaute.
Der Song, den sie trällerte, war irgend so ein blöder Superstar -Hit und handelte davon, wie Träume in Erfüllung gehen. Die Nachbarn stellten ihr Gequassel ein. Mum und Dad standen Arm in Arm da und himmelten ihre Tochter an. Natasha quälte ihre Stimme in die höchsten Höhen. Bei mir
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