Ein Macho auf Abwegen
holte seine Sachen aus
dem ehelichen Schlafzimmer.
Als sie damit fertig war, betrachtete sie das Ergebnis. Ja,
alles war hübsch und ansprechend. Alles Wichtige und Persönliche hatte sie in
Marcs neues Zimmer gebracht.
Nun war es an der Zeit loszufahren. Professor Spengler wäre
sicherlich jetzt für sie zu sprechen.
Auf der Fahrt ins Krankenhaus trommelte ihr das Herz so
laut, dass sie schon befürchtete, es würde jeden Moment zerspringen. Sie hatte
unwahrscheinliche Angst. Sie hatte Angst vor Marc, Angst vor ihrem eigenen
Ehemann! Er würde sie bestimmt nicht sehen wollen. Er hatte gestern ja noch
nicht einmal mehr angerufen. Es hatte doch durchaus sein können, dass er seinen
Ausbruch bereute. Dann hätte er ja zumindest auf den Anrufbeantworter sprechen
können. Aber sie hatte gestern Abend mehrmals die eingehenden Anrufe abgehört.
Da war keine Nachricht von ihm. Er hatte nicht auf das Band, „Komm’ bloß wieder
her!“, gesagt.
Als Christina gestern gegangen war, fühlte Marc sich erleichtert.
Er konnte es einfach nicht mehr ertragen, wie sie ihn bemutterte und ihm immer
wieder sagte, dass er, wenn er das nur wirklich wollte, auch gesund werden
würde. Sie tat gerade so, als ob er überhaupt keine Lust darauf hätte, wieder
vollkommen fit zu sein. Dabei hatte er doch keinen sehnlicheren Wunsch, als
sein altes Leben wieder zurückzubekommen. Die Ärzte waren allesamt komplett
verrückt. Psychogener Schock! Wenn er das schon hörte! Die taten so, als ob er
nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte. Blockade! Was für ein Blödsinn! Marc
Stevens steht sich selber im Weg und ist nicht mehr richtig im Kopf! Was
Eickermann aus diesen Informationen alles machen könnte? Die Ärzte mussten bei
ihren Untersuchungen irgendetwas übersehen haben. Und jetzt wollten sie ihm die
ganze Misere in die Schuhe schieben. Na, die machten es sich einfach! Die
machen Fehler, wollen sie sich nicht eingestehen und machen dann den Patienten
auch noch selber dafür verantwortlich! Am besten wäre es, wenn er noch weitere
Spezialisten hinzuzöge. Er würde ab sofort nicht mehr auf diesen ganzen
Psychoscheiß hören. Vielleicht würde er sich sogar in eine andere Klinik
verlegen lassen, wo es qualifiziertere Fachleute gab.
Unter Umständen bräuchte er ja lediglich noch eine
Operation. Und Christina könnte ihm jetzt auch nicht mehr in den Ohren liegen:
„Marc, du schaffst das! Du musst es nur wollen!“
Gestern war sie ganz einfach zu fordernd gewesen. Wie die
wieder rangegangen war! Er konnte ihr das, was sie brauchte und wollte nicht
geben. Und Christina brauchte so Allerhand! Mein Gott! Was für eine Frau –
meine Frau, dachte er immerhin noch ein wenig stolz. Aber gerade das machte ihn
fix und fertig. Alle seine Träume waren durch den Anschlag in tausend kleine
Stückchen geplatzt. Jetzt hatte er endlich die Frau fürs Leben gefunden, und
dann kommt so eine vollkommen durchgeknallte, arme Irre und schießt ihm ein
paar Kugeln in den Bauch! Seit er Christina kannte, hatte er Sorgen. Vor
Christina hatte es so etwas nicht gegeben. Er hatte immer Erfolg gehabt, hatte
alles, was man sich nur wünschen konnte. – Alles, außer Liebe! Nein – die
Liebe hatte er nicht gekannt.
Es war doch wirklich verrückt! Heute konnte er behaupten, zu
sehr geliebt zu werden. Christina wollte gewiss nur sein Bestes, aber er konnte
ihr sein Bestes nicht mehr geben. Diese Frau hatte in ihrem Leben so viel
durchgemacht, und jetzt sollte sie sich auch noch mit einem Krüppel im
Rollstuhl abgeben. Das durfte er nicht zulassen! Er musste sich seinen Alltag
irgendwie selber einrichten. Christina würde bestimmt eines Tages darüber
hinwegkommen. Sie muss ganz einfach! Ob er es jemals ohne sie schaffen würde,
wusste er nicht. In jedem Falle wollte er keine Last für sie sein. Wenn er
eines Tages gesund sein würde, wäre das schon eine andere Sache. „Wenn ich
wieder gesund bin, komme ich zu dir zurück, Prinzessin“, sagte er leise. Im
Moment jedenfalls galt für ihn die Devise: Besser ein Ende mit Schrecken als
ein Schrecken ohne Ende!
Er hatte die Nacht sehr unruhig verbracht. Er hatte ständig
an Christina denken müssen. Was sie wohl jetzt gerade macht?, fragte er sich
immer wieder. „Kannst du auch nicht schlafen, Prinzessin?“, fragte er in die
Dunkelheit. Er vermisste sie jetzt schon!
Um sechs Uhr morgens wurde er von der Nachtschwester zum
Fiebermessen geweckt. Wie oft hatte er mit dieser Frau schon über den
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