Ein Mann zum Abheben
dem Knettisch stehen gelassen hatte, klebt ein Post-it, auf dem ein einziges Wort zu lesen ist: »Meins.« Wie so viele Nachrichten meines Mannes ist auch diese unmöglich zu verstehen. Will er damit sagen, dass ihm der Topf gefällt und er ihn haben möchte, um ihn vielleicht mit in die Praxis zu nehmen und auf seinen Schreibtisch zu stellen? Höchst unwahrscheinlich. Oder dass der Knettisch in den Teil der Garage eindringt, der offiziell seine Hälfte ist? Eine plausiblere Theorie, denn der Tisch hat sich seit Wochen Zentimeter für Zentimeter auf Phils Territorium vorgeschoben - schon seit ich ihn vergrößert und gedreht habe, um nicht in der Nachmittagssonne arbeiten zu müssen. Schwer zu sagen, warum ihn ausgerechnet jetzt entweder der Topf oder der Tisch irritiert haben oder warum er mir das nicht gestern beim Abendessen mitgeteilt hat. Ich habe immer wieder für eine direkte Kommunikation plädiert, doch Phil scheint sich mit Post-its wohler zu fühlen. Offenbar macht es ihm nichts aus, dass ich nie so recht weiß, was er mir eigentlich sagen will. Manchmal bestehen die Nachrichten aus einem einzigen Wort, etwa »Gut«, »Warum?« und »8 Uhr 15«. Manchmal sind sie auch länger und ein wenig klarer: »Bitte mitnehmen«
auf einem Stapel Wäsche, der für die chemische Reinigung bestimmt ist, »Nicht jetzt« auf dem Prospekt einer nahe gelegenen Frühstückspension. Ich hebe sie alle auf, diesen nie endenden Strom von Post-its, und manchmal ordne ich sie quer über der Kühlschranktür zu Sätzen an: Gut, nicht jetzt. Warum bitte mitnehmen?
Heute Morgen bin ich aber nicht in der Stimmung, Detektiv zu spielen. Ich ziehe das »Meins« vom Topf und klebe es vorne auf mein T-Shirt. Gestern hat eine Galeriebesitzerin aus Charleston angerufen und drei Musterstücke bestellt, mit dem Hintergedanken - mein Hintergedanke, nicht unbedingt ihrer -, dass sie noch mehr kaufen wird. Mir bleiben vier gute Stunden, bis ich mich mit den anderen Frauen am Sportplatz der Grundschule treffe.
Die Herstellung eines Tongefäßes besteht aus einer Menge einzelner Schritte. Zuerst öffne ich den mit Plastik ausgeschlagenen Eimer, schiebe die feuchten Tücher beiseite und hole den Ton heraus. Ich trage ihn zum Tisch, streue etwas Schamotte darauf und knete drauflos. Stumpfsinnige, aber ziemlich schwere Arbeit. Auf meine Arme bin ich stolz. Immer wieder werde ich gefragt, ob ich einen Personal Trainer habe. Nachdem die Tonmasse geknetet ist, schneide ich sie wieder und wieder in Stücke, um die Luftblasen zu entfernen. Dann wandert sie auf eine kleine runde Scheibe, die Töpferscheibe, die ihrerseits auf den Scheibenkopf aufgesetzt wird. Mit deren Hilfe forme ich den Topf. Paradoxerweise handelt es sich dabei um den leichtesten Teil des Prozesses, obwohl die Leute oft glauben, das Formen sei die eigentliche Kunst. Die Töpferscheibe wird schließlich in den Feuchtraum getragen, wo der Topf mehrere Tage trocknen muss. Zu diesem Zeitpunkt handelt es sich noch um unfertige Rohware, die in meinen Augen irgendwie monströs wirkt, was ja bei unfertigen Dingen nicht selten der Fall
ist. Ich stecke den Luftbefeuchter ein und warte, bis er polternd anläuft, lehne mich gegen den Türrahmen und atme den rohen, nassen Geruch des Tons ein. Als gestern die Galeristin angerufen hat, habe ich die Nummer auf dem Display nicht erkannt, und mein Herz hat einen Sprung gemacht. Mir hätte klar sein sollen, dass 843 die Vorwahl von South Carolina ist und nicht die von Massachusetts, dennoch, für einen Augenblick …
Es kann immer etwas schiefgehen. Du kannst alle Schritte problemlos durchlaufen, und trotzdem springt der Topf. Zum Beispiel ist es schwierig, ihn von der Scheibe zu lösen. Ich habe sogar schon einige Töpfe verloren, als ich sie gewendet habe, um den Boden abzudrehen. Sie können zerspringen, wenn du während des Knetens die Luftblasen nicht gründlich entfernt hast, und hast du sie gründlich entfernt, können sie trotzdem zerspringen. Es kommt vor, dass du den ganzen Vorgang bis zum Glasieren schaffst und plötzlich hältst du inne und denkst: »So habe ich ihn mir aber gar nicht vorgestellt.« Vielleicht taugt eins von drei Stücken für den Markt, und das ist in meinem Berufszweig eine ziemlich hohe Ausbeute. Töpfer müssen sich daran gewöhnen, Dinge wegzuwerfen. Mein Atelier ist voll von aufgegebenen Projekten. Manchmal recycle ich den Ton, manchmal werfe ich die Töpfe einfach in den Müll, doch manchmal lasse ich sie auch so lange
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