1132 - Hexenfalle Bamberg
Um ihre Lippen spielte ein Lächeln. Auch ohne Schminke sah sie sehr schön aus. Eine Frau, für die Männer vieles vergaßen. Loretta deutete ein Nicken an, dann sprach sie.
»Ja, ich habe es getan. Ich habe drei Frauen umgebracht.« Sie sprach leise, doch jeder Zuhörer vernahm ihre Worte. »So habt ihr es gesehen, so soll es sein. Aber auch wenn ich es getan habe, ich bin es nicht wirklich gewesen. Es war ein anderer, versteht ihr?«
Niemand begriff sie. Niemand hatte überhaupt die drei schrecklichen Taten begreifen können, die die Stadt erschüttert hatten.
Loretta bewegte ihren Kopf. »Ach, ihr versteht nicht? Das dachte ich mir. Also noch einmal. Ich bin es nicht wirklich gewesen. Es war ein anderer.« Sie hob die Stimme. »Es war der Teufel!« schrie sie, und die Zuschauer duckten sich unter den Worten, als wären es Peitschenhiebe. »Ja, der Teufel!« brüllte sie. »Der Teufel, der Teufel…«
Die Stimme kippte über. Die Worte verschmolzen mit einem häßlichen Lachen, und sie schüttelte wild den Kopf. Dabei hob sie die Arme an. Jeder sah das blinkende Metall der Handschellen. Die Frau sollte als Mörderin verurteilt werden, doch wie sie dastand, da wirkte sie eher wie eine Siegerin.
Niemand im Saal hatte diese Worte so einfach hinnehmen können. Jeder fühlte sich unwohl. Bei vielen verschwand die gesunde Gesichtsfarbe. Manche schauten sich um, als suchten sie den Leibhaftigen zwischen sich.
Loretta aber lachte. Schrecklich. Laut. Geifernd. Bis der Richter aufsprang und das Lachen überschrie.
»Abführen!«
Loretta Lugner wurde weggeschafft. Froh konnte darüber niemand sein. Egal, wer dem Prozeß beigewohnt hatte. Jeder ahnte zumindest, daß dies hier kein Ende, sondern eher ein Anfang gewesen war…
***
Der grauhaarige Mann, der behäbig wirkte, erhob sich ebenfalls. Er hatte in der letzten Reihe gesessen. Er lockerte seinen Krawattenknoten und schaute durch das Fenster hinaus in den leicht nebligen Tag. Der Dunst lag über dem Fluß und verteilte sich auch in den Gassen und Straßen von Bamberg.
Es war der Herbst, der den Sommer aus dem Land vertrieben hatte. Der Mann mit dem freundlichen Gesicht und den hellen Augen schaute durch die Scheibe, ohne wirklich etwas von dem wahrzunehmen, was sich dahinter abspielte. Schließlich war er derjenige gewesen, der den Fall gelöst und die Mörderin gestellt hatte. Man hatte ihn, den Kommissar Uwe Hinz, damals wie einen Helden gefeiert, und das war ihm nicht sehr recht gewesen. Er gehörte mehr zu den Menschen, die lieber im geheimen wirkten, und wenn eben möglich, der Presse entwischten. Das war nicht geschehen, als man schließlich die Mörderin gefunden hatte, und auch jetzt beim Prozeß hatte er sich öfter in den Zeitungen gesehen als ihm lieb war.
Und nun war das Urteil gesprochen. Lebenslänglich. Danach Sicherungsverwahrung. Die dreifache Mörderin würde die Freiheit nie mehr genießen können. Und das mit 30 Jahren.
So jedenfalls hatte es das Gesetz vorgesehen. Aber Uwe Hinz konnte daran nicht so recht glauben.
Auch ihn hatten die letzten Worte der Angeklagten getroffen. Ob es leeres Gerede war oder hinter ihr tatsächlich der Teufel stand, wußte er nicht. Vor zwei Jahren hätte er noch darüber gelächelt. Das allerdings war ihm vergangen, denn der Kommissar war bereits in Kontakt mit fremden, unheimlichen Mächten gekommen, als der Sensenmann durch Bamberg gelaufen war, um seine Opfer zu suchen. Da war sein Weltbild schon auf den Kopf gestellt worden, und er hatte seine Heimatstadt Bamberg mit anderen Augen gesehen.
Für ihn waren die Schatten einer düsteren Vergangenheit hochgestiegen, und sie hatten sich jetzt, nach der Verteidigungsrede der dreifachen Mörderin, noch verfestigt. Die kalte Haut auf seinem Rücken wollte einfach nicht weichen. Diese Verteidigung war für ihn mehr als nur ein Spruch. Da steckte etwas dahinter. Sie hatte die Worte mit einer derartigen Intensität herausgeschrieen, daß sie seiner Meinung nach einfach keine Lüge sein konnten.
Er dachte daran, wie er diese Frau in ihrer Kammer unter dem Dach eines Hauses am Fluß gestellt hatte. Er erinnerte sich an ihren Blick, der ihm bis tief in die Seele gedrungen war und ihm schon damals Angst bereitet hatte.
Die jetzigen Worte paßten dazu. Da hatte sich der Blick praktisch akustisch wiederholt.
Als er die Schritte hinter sich hörte, drehte er sich um. Es war der Richter, der auf ihn zukam. Sie waren nur noch zu zweit im Saal. Selbst der Gerichtsdiener
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