Ein Mann zum Abheben
herumstehen, bis ich sie fast schön finde. Schön auf eine hässliche Art und Weise.
Als ich aufschaue, ist es ein Uhr. Fürs tägliche Walking bin ich ein bisschen spät dran, aber eine von uns kommt immer zu spät, und wir wissen alle nur zu gut, dass leicht etwas dazwischenkommen kann und sich kein Zeitplan voll und ganz unter Kontrolle halten lässt. Wir sind übereingekommen, dass diejenigen, die als Erste da sind, einfach loslaufen und
die Übrigen in ihrem eigenen Tempo dazustoßen oder aussteigen. Das ist einer der Vorteile, wenn man einen Rundkurs benutzt.
Na klar, als ich ankomme, sind Kelly, Nancy und Belinda schon da. Ich stelle das Auto ab und winke ihnen zu, aber sie sehen mich nicht. Vom Hügel oberhalb des Sportplatzes der Grundschule aus beobachte ich sie. Wie so oft liegt Kelly ein bisschen in Führung und dreht sich, während sie spricht, nach den anderen um. Wenn sie wollte, könnte sie viel schneller walken. Genaugenommen könnte sie joggen. Doch welchen Sinn würde das machen?
Wir wollen nämlich nicht rennen, sondern reden. Hier draußen in den Vorstädten sind wir auf Gedeih und Verderb von unseren Freunden abhängig. Vielleicht hätte es mich irgendwann einmal überrascht festzustellen, dass ich fast jede Frau aus meinem Bekanntenkreis über meine Kirche kennengelernt habe und dass es der Höhepunkt meines Tages ist, mich mittags um eins mit ihnen zu treffen, um eine Stunde zu walken, bevor wir die Kinder abholen. Aber inzwischen bin ich darüber hinweg. Ich kann es mir nicht leisten, darüber nachzudenken, denn dazu brauche ich diese Frauen viel zu sehr. Durch das feuchte, üppig wachsende Gras mache ich mich auf den Weg nach unten. Im Lauf der Jahre haben wir Geheimnisse und Spielzeuge geteilt, haben Autositze, Kinderwagen und Wiegen weitergereicht, als die Kinder älter wurden, und uns beim Beaufsichtigen abgewechselt, damit wir uns gelegentlich einen freien Nachmittag gönnen konnten. Einmal habe ich aus einer fürchterlichen Notlage heraus - ich konnte kein Fläschchen finden - sogar Belindas schluchzende Tochter gestillt. Wenn ich es laut ausspreche, kommt es mir allerdings komisch vor, so als wären unsere Körper austauschbar. Wir haben diesen Running Gag, dass wir eines Tages mal mit den falschen
Ehemännern von der Kirche nach Hause gehen sollten. Wir diskutieren darüber, wie lange es wohl dauern würde, bis sie es merken, doch um ehrlich zu sein, bin ich mir nicht sicher, ob wir selbst es überhaupt merken würden. Wir sind zu beschäftigt. Der Kleinkram unseres täglichen Lebens spinnt uns ein wie Baumwolle, und wir treffen uns fast jeden Mittag auf der Bahn, um die Pfunde von der Schwangerschaft abzulaufen, von dem Baby, das mittlerweile die zweite Klasse besucht, um auf sechzig oder fünfundsechzig Kilo oder irgendetwas Annehmbares zu kommen. Wir sind immer in Bewegung, eher wie Nomaden als wie Hausfrauen. Wir umkreisen das Eingangstor der Vorschule, laden Lebensmittel ein und aus, passieren den Drive-in-Schalter und reichen an roten Ampeln ein Chicken Nugget nach dem anderen nach hinten, fahren das mittlere Kind zum Fußball, das älteste zum Kieferorthopäden, beziehen Betten und wechseln Handtücher aus, wirbeln im Kreis in der zyklischen Welt der Frauen.
Um 14 Uhr 30 habe ich Tory abgeholt, und wir sind wieder zu Hause. Das Schuljahr hat erst angefangen, und sie ist müde vom frühen Aufstehen. Noch hat sie sich nicht daran gewöhnt und braucht wahrscheinlich ein Nachmittagsschläfchen, aber meine Unruhe hat sie scheinbar angesteckt. Sie wirft ihren brandneuen Schulrucksack auf den Tisch und schlingt ihre Arme um meine Taille.
»Kann ich dir helfen, Kaffee zu machen?«, fragt sie.
Eben will ich ihr erklären, dass ich vor dem Abendessen keinen Kaffee trinke, da entdecke ich das sehnsuchtsvolle Verlangen in ihrem Gesicht und gebe nach. Vergangene Woche hat Phil mir eine Cappuccino-Maschine zum Geburtstag geschenkt, aber ich habe mir Zeit damit gelassen, sie aufzubauen. Einem Chemiebaukasten gleich gehören
eine Menge kleiner Tassen und Teller dazu, auf die Tory ganz versessen ist. Sie sitzt auf dem Boden und wickelt vorsichtig jedes Teil aus. Im Radio spielen sie Jazz, ich glaube, es ist Miles Davis, allerdings halte ich alles für Miles Davis. Wie gerne würde ich Trompete spielen können, oder vielleicht Saxophon, und dadurch etwas Kühles, Erotisches und Gleichmütiges ausstrahlen. Ich hebe meine Arme hoch und strecke meinen Rücken durch.
»Guck mal.«
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