Creepers - Der Fluch der Hexe
Kapitel 1
A ls Erstes fiel mir der Efeu auf, nicht die von der Sonne ausgeblichenen Grabsteine, die in gebrochenem Weiß aus dem Friedhofsgelände aufragten wie alte Knochen. Es ist erst eine Woche her, dass wir in unser neues Haus gezogen sind, und als wir hinter dem Umzugswagen in die Einfahrt bogen, fiel mir auf, dass der Efeu einfach überall war – er wand sich die Baumstämme hinauf und breitete sich kleckernd über den Rasen aus. Seine Ranken klammerten sich an das alte steinerne Haus, und seine Blätter, die in der sanften Augustbrise zitterten, zeigten unzählige verschiedene Schattierungen von Grün.
»Was ist denn das alles für Efeu?«, fragte ich meine Eltern. Sie starrten die Pflanzen ebenfalls an.
Meine Mutter räusperte sich und stieß ein überraschtes Lachen aus. Dann sah sie meinen Vater an, um dessen Gesichtsausdruck zu deuten, aber der war bereits im Begriff auszusteigen, um den Männern aus dem Umzugswagen Anweisungen zu erteilen.
»Das ist Gemeiner Efeu, Courtney. Eine exotische Pflanze aus Europa. Diese Art von Efeu findet man häufig an den Mauern von Burgen und Universitäten. Deshalb spricht man auch von den Ivy League Colleges – den Universitäten der Efeuliga«, erklärte sie mir.
Ich öffnete die Tür und stellte mich neben das Auto, um einen besseren Überblick zu erhalten. »Na ja, aber ich finde es nicht gerade toll, dass dieses Zeug überall an unserem Haus herumhängt. Das ist irgendwie unheimlich.«
Meine Mutter hatte sich nun ebenfalls gegen das Auto gelehnt und beobachtete meinen Vater, wie er die Männer mit den großen Muskelpaketen aufforderte, vorsichtig mit den Möbeln umzugehen.
»Na ja, die Pflanze ist eben bekannt dafür, dass sie sich rasch ausbreitet«, sagte meine Mutter, während sie sich mir zuwandte, um mich anzulächeln. »Keine Sorge. Ich werde deinem Vater sagen, er soll den Efeu vom Haus entfernen, sobald wir hier richtig angekommen sind. Obwohl …«
Sie schwieg für einen Moment, während sie den Hauseingang anstarrte.
Einige der Ranken schienen sich auf den ausgetreten Steinstufen zu sonnen.
» Hmmm «, war alles, was sie hinzufügte.
Dad stand direkt hinter uns und erkannte die potenzielle Stolperfalle. Wie immer nahm er die Sache sofort in Angriff,ohne um Rat oder Hilfe zu bitten. Stattdessen redete er gern mit sich selbst.
»Mann, dieses Zeug ist ja unglaublich«, brummelte er in sich hinein, während er an einem Efeustrang riss, der sich um das Geländer der Eingangstreppe gewunden hatte.
Die Wurzeln gaben kleine knackende Geräusche von sich, als er die Ranken herunterriss, die bis zur Hausecke an der Einfahrt reichten.
»Efeu kann dem Mörtel zwischen den Steinen schaden«, verkündete er, an niemanden im Speziellen gerichtet. »Wir werden ihn entfernen müssen.« Meine Mutter zuckte nur mit den Schultern und lächelte die Möbelpacker an.
Es war ein heißer, schwüler Tag, und ich konnte sehen, dass Dads T-Shirt bereits durchgeschwitzt war. Der Efeu hielt sich anscheinend mit aller Macht an den Steinen und dem Mörtel fest, so wie Dad daran zerren musste. Wenn mein Vater wegen irgendetwas frustriert ist, dann verzieht er immer das Gesicht, genau wie ein Kleinkind.
Er arbeitete wie ein Besessener, schnappte sich ganze Bündel von Efeu und stopfte sie in einen Plastiksack, der fast dieselbe Tarnfarbe besaß wie der Efeu selbst. Ich hätte ihm vermutlich helfen sollen, aber ich wollte mir erst einmal den Efeu auf dem Friedhof ansehen.
Ich stieg über einige Ranken hinweg, streng bemüht, nicht draufzutreten, genauso wie man nicht auf Spalten im Bürgersteig tritt. Wie ging noch mal dieses Spiel, das ich immer mit meinen Freunden gespielt habe? Trittst du auf den Spalt, wirst du nicht sehr alt? Ich fragte mich, was wir wohl zu den Efeuranken gesagt hätten, die unseren gesamten Hof bedeckten. Trittst du auf die Ranken, gerät die Welt ins Wanken?
Ich kreuzte die Arme vor dem Körper und ließ mein Kinn auf die steinerne Mauer sinken, die den Friedhof von unserem Grundstück abgrenzte. Die Efeuranken waren einfach überall – sie krochen kreuz und quer über den Rasen und die gewundenen Kieswege, um sich auf den längst eingefallenen Hügeln im Schatten der Grabsteine auszuruhen. Auf dem Friedhof wirkte der Efeu gleich viel natürlicher.
»Courtney, kannst du mir bitte mal einen neuen Sack holen?«, rief Dad mir zu.
»Mach ich«, rief ich leicht verärgert zurück. Warum musste er nur immer alles sofort in Angriff nehmen? Es kam mir
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