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Ein Noah von heute

Ein Noah von heute

Titel: Ein Noah von heute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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im Tiefland vor, aber dort lebt es in den obersten Zweigen der größten Bäume, ernährt sich da oben von den Früchten und Nüssen und klettert sehr selten zum Boden hinunter. Infolgedessen ist es fast unmöglich zu fangen. Im Grasland hingegen lebt es in den schmalen Waldstreifen am Rande der Bäche, und sowohl frühmorgens als auch abends klettert es hinab, um auf den Wiesen zu äsen.
    Meine Jäger hatten mir gesagt, sie kennten ein Waldgebiet, wo dieses Tier zahlreich vorkäme, und ich beschloß, am frühen Morgen, wenn es zur Äsung auf die Wiese herunterkam, Jagd darauf zu machen.
    Wir brachen um ein Uhr nachts auf und kamen kurz vor dem Morgengrauen am gegebenen Ort an. Wir suchten uns am Waldrand eine geeignete Stelle aus, wo wir unsere Netze halbmondförmig im Gras ausbreiteten und sie mit Gräsern und Sträuchern tarnten. Das mußte getan werden, solange es noch dunkel war, und wir mußten dabei sehr leise Vorgehen, damit die Ölpalmhörnchen nichts von unserem Vorhandensein merkten. Als die Netze fertig waren, versteckten wir uns im Dickicht am Rande des Waldstreifens und warteten dort, vom Tau durchnäßt, auf den Anbruch der Morgendämmerung. Im Gebirge ist es viel kälter als im Tiefland, so daß wir bei Sonnenaufgang so durchgefroren waren, daß uns die Zähne klapperten.
    Als der Morgennebel uns in weißen Schwaden umwogte, vernahmen wir auf einmal lautes, ärgerliches Keckem, das ringsum von den Bäumen widerhallte. Die Jäger flüsterten, dies bedeute, daß die Eichhörner Anstalten trafen, zum Äsen herunterzukommen. Bald darauf sah ich, als ich durchs Laub zu der Stelle hinüberspähte, wo unsere Netze verborgen waren, ein seltsames Ding auf und nieder hüpfen. Es sah genau aus wie ein langer schwarzweißer Ballon, und ich hatte keine Ahnung, was es sein könnte. Ich machte die Jäger darauf aufmerksam, worauf sie mir erklärten, das sei eine Eichhornstandarte, die über den Gräsern auf und ab hüpfte, während der Körper außer Sicht blieb. Es dauerte nicht lange, da gesellten sich zu diesem einsamen «Ballon» mehrere andere, und als sich der Nebel hob, sahen wir die Ölpalmhörnchen selbst vorsichtig im Gras herumhüpfen und auf ihrer buschigen schwarzweiß gestreiften Fahne sitzen. Als sie unserer Schätzung nach weit genug von den Bäumen entfernt waren, richteten wir uns aus unserer verkrampften Stellung auf und rückten in einer Reihe vor. Dann gab ich das Zeichen, und wir traten alle langsam auf die Wiese hinaus. Unser Erscheinen wurde von den Eichhörnern in den Bäumen hinter uns mit einem Chor erschrockener Keckerlaute begrüßt. Die Ölpalmhörnchen auf der Wiese aber saßen nur da und starrten uns mißtrauisch an. Unser Plan bestand darin, vorwärts zu gehen, die Eichhörner immer weiter weg von den Bäumen und langsam zu den Netzen zu treiben und sie dann, wenn sie sich im Kreis der Netze befanden, plötzlich anzugreifen, so daß sie sich in ihrem Entsetzen in den Maschen verfingen. Mit diesem Plan klappte es jedoch nicht so wie erwartet.
    Ein Ölpalmhörnchen, offenbar ein oberschlaues, erkannte auf einmal, daß wir es vom Schutz der großen Bäume wegtrieben, und so brach es nach links aus, rannte um die Reihe der Jäger herum und schnurstracks zurück in den Wald. Die andern blieben beobachtend sitzen, anscheinend unschlüssig, ob sie ihm folgen sollten oder nicht. Obwohl sie noch nicht ganz im Kreis der Netze waren, hielt ich es für besser, sie schon anzugreifen, damit sie nicht alle ausbrachen und wie das erste Eichhorn uns ein Schnippchen schlugen. Wir stürmten also alle vorwärts, johlten und grölten dabei und fuchtelten mit den Armen, um möglichst furchterregend zu wirken. Nach einem einzigen Blick auf uns ergriffen die Eichhörner die Flucht.
    Zwei entwichen nach links und rechts; drei andere rannten geradenwegs ins Netz und zappelten binnen wenigen Sekunden hilflos in den Maschen. Es war außerordentlich schwer, sie daraus zu befreien, denn sie knurrten wütend und bissen uns mit ihren gelben Zähnen wild in die Hände. Es waren recht schöne Tiere mit rostrotem Oberkörper, zitronengelbem Bauch und buschiger, schwarzweiß geringelter Standarte; jedes maß in der Länge fast einen halben Meter. Da die Ölpalmhörnchen im Walde jetzt wußten, daß wir sie fangen wollten, wäre es nutzlos gewesen, die Jagd fortzusetzen; deshalb mußten wir uns mit den drei Exemplaren begnügen, die uns ins Netz gegangen waren. Wir trugen sie in dicken Leinwandsäcken zum Lager und

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