Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot
schnell, daß Bettina ein bißchen Angst bekam. Endlich waren sie von dieser engen Serpentinenstraße weg auf der Autobahn. Tom fuhr noch schneller, aber die Autobahn war leer. Bettina dachte darüber nach, warum kein Mann sie wollte. Und ob sie vielleicht häßlich war. Und dann dachte sie wieder, daß es vielleicht besser wäre, nur noch Karriere zu machen. Tom fuhr schnell auf der leeren Autobahn. Ob er jetzt sein Glück gefunden hat, mit diesem kleinen, dünnen Mädchen, fragte sich Bettina. Und dann dachte sie sich, daß er eine Aufgabe gefunden hat, und das genügt ja irgendwie schon, um zufrieden zu sein. Tom hatte jemanden, der ihn braucht, und wer braucht mich, fragte sich Bettina, und ihr fiel da echt niemand ein. Und dann, irgendwann nach einer Stunde stummer Fahrt, ging es Bettina wieder besser. Sie dachte sich, daß es ihr gutgeht und daß ihr Leben bestimmt noch viele Sachen bringen würde. Und Bettina überlegte sich, daß sie vielleicht für länger in Italien bleiben wollte. Und sie malte sich aus, wie das wäre, in Italien zu bleiben. Das Meer anzugucken und war auf einmal ganz gespannt auf alles, was noch kommen würde in ihrem Leben. Und die unglücklichen Liebesabenteuer, dachte sie, die gehören wohl einfach zu meinem Leben dazu. Um zu spüren, wie schön es ist, wenn ich glücklich bin. Und dann lächelte Bettina und lebte auf einmal ziemlich gerne. Und Tom raste durch die Nacht. Er war aufgeregt und freute sich auf Nora. Er würde ihr alles sagen, daß er sie liebt und daß er sie nie aus seinem Leben gehen lassen wollte, und er dachte, daß er Lust hatte, sie zu heiraten. Dann würde er sich einen Job suchen, Italienisch lernen, und sie könnte auch was lernen, und sie wären zusammen, weil sie einfach zusammengehörten. Und dann bog er um so eine Kurve und sah einen riesigen Laster auf seiner Spur. Der fuhr langsam. Der fuhr gar nicht. Der lag da und brannte, als ob er noch nie etwas anderes gemacht hätte. Und das merkte Tom, aber er merkte es irgendwie echt zu spät.
Toms Kopf wurde von den Feuerwehrleuten weitab der Straße gefunden. Sein Haar saß noch sehr gut, allein seine Augen wirkten unnatürlich aufgerissen. Wie Drähte hingen Sehnen und Adern am Halsende. Bettina wurde aus dem Wrack geschweißt. Eine Metallstange hatte sie von der Körpermitte nach oben hin aufgetrennt. Auf ihrem Schoß lagen einige Organe, noch gut mit dem Körper verbunden. Eine Metallstrebe steckte in ihrem Kopf. Glücklicherweise hatte sie das Gehirn nicht verletzt, so daß Bettina noch einige Stunden Zeit hatte, sich auf ihren Abschied vorzubereiten.
VERA trinkt Kaffee
Herzlichen Glückwunsch, sagt Vera. Denn Vera hat Geburtstag, und keiner da, um Vera zu gratulieren. Vera sitzt in einem Cafe. Neben ihr ist eine Brücke und ein Wasser und die ganzen Sachen, die in Venedig halt so rumstehen.
Vera trinkt Milchkaffee, und die Sonne ist da. Sie guckt sich Touristen an und freut sich, kein Touristenpaar zu sein.
Vera denkt an Helge, an Nora und an Bettina. Aber nur kurz. Dann trinkt Vera wieder Milchkaffee. Auf einem Boot fahren drei Sarge vorbei. Vera trinkt ihren Kaffee, sieht von den Särgen weg, in die Sonne. Und denkt sich.
Schön blöd, einfach so sterben. Worum es geht, ist doch einfach nur, etwas zu lieben. Und wenn es Milchkaffee und Zigaretten sind. Es ist egal, was einer liebt. Und einfach so zu sterben, ohne noch einen Milchkaffee getrunken zu haben, ist ganz schön blöd. Und dann biegt das Boot mit den Särgen um die Ecke, und Vera vergißt ihre Gedanken.
Sie trinkt einfach ihren Kaffee und raucht.
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