Ein pikanter Köder
zu meinem Schreibtisch und sah die Post durch. Sie enthielt nichts brennend Wichtiges, nur den üblichen Routinekram, der keine großen Anforderungen an mein Denkvermögen stellte. Ich rief Elsie herein und diktierte ihr die Antworten.
Wir waren beim dritten Brief, als Bertha Cool die Tür aufriß und Elsies übereinandergeschlagene Beine mit mißbilligenden Blicken betrachtete.
Ich zog fragend eine Braue hoch.
»Mr. Carson ist da und möchte dich sprechen«, sagte sie verdrossen. »Ich versuchte, ihm plausibel zu machen, daß der Auftrag abgeschlossen ist. Aber er ist anscheinend anderer Meinung.«
»Fein.« Ich zwinkerte Elsie zu. »Dann kann ich’s vielleicht einrichten, daß wir heute abend wieder auf Geschäftskosten essen, Elsie. Nur würde ich Ihnen raten, diesmal auf den importierten Champagner zu verzichten. Der einheimische -«
»Champagner!« kreischte Bertha. »Darüber wollte ich sowieso noch mit dir reden. Champagner! Das ist der Gipfel! Deine Verschwendungssucht spottet wirklich jeder Beschreibung! Aber diesmal hast du dich geschnitten, wenn du glaubst, ich würde -«
»Er macht nur Spaß, Mrs. Cool«, warf Elsie beschwichtigend ein. »Wir haben gar keinen Champagner getrunken.«
Bertha sah mich hart an. »Wirklich sehr witzig! Du wirst mit deinen idiotischen Späßen noch mal in Teufels Küche landen.«
»Es wäre nicht das erste Mal.«
»Na ja, manche Leute macht Erfahrung eben nicht klüger. Wer nicht hören will, muß fühlen. Ich hab’ dich gewarnt. Komm jetzt. Ich möchte dich Mr. Carson vorstellen. Und behalt, um Himmels willen, deine klugen Sprüche für dich. Mit deinem Fimmel, hinter allem und jedem ein Verbrechen zu wittern, verpatzt du mir nur unsere Aufträge. Wenn du dich nicht zusammenreißt, wirst du eines schönen Tages hinter schwedischen Gardinen landen, mit einer Nummer auf dem Rücken.« Bertha machte kehrt und stolzierte hinaus.
Montrose L. Carson war schätzungsweise Ende Vierzig, hatte eine lange Nase, eine ausgeprägte Kinnpartie und einen ungewöhnlich durchdringenden Blick. Da er sehr groß war, hielt er sich leicht gebeugt, so daß seine Augen unter den buschigen Brauen noch intensiver wirkten. Die stecknadelkopfgroßen Pupillen schienen lichtunempfindlich zu sein, und ihre Unbeirrbarkeit hatte etwas Beängstigendes. Ich konnte mir gut vorstellen, daß Mr. Carsons Untergebene sich so manches Mal unter diesem starren Blick gekrümmt hatten.
»Das ist mein Partner Donald Lam, Mr. Carson«, sagte Bertha.
Carson reichte mir eine kalte, knochige Hand, die sich anfühlte, als käme sie geradewegs aus dem Tiefkühlfach. Aber sie packte fest und herzhaft zu. »Mr. Lam, es ist mir ein Vergnügen.«
»Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. Carson.«
Bertha kam gleich zur Sache. »Ich habe Mr. Carson über das Ergebnis unserer Ermittlungen informiert, aber anscheinend ist er nicht damit zufrieden.«
»Sie haben flott und gut gearbeitet, Mrs. Cool. Es fällt mir schwer, an Miss Addis’ Schuld zu glauben.«
»Warum, wenn ich fragen darf?« sagte ich.
»Weil sie einen so besonders netten Eindruck macht. Sie ist tüchtig und irgendwie...nun ja, damenhaft.«
»Wie alt?«
»Das kann ich so auf Anhieb nicht sagen. Mitte Zwanzig, schätzungsweise.«
»Meine Partnerin hat Ihnen doch sicher erklärt, wie sie Irene Addis überführte, nicht wahr?«
»Gewiß. Wir hatten ihren Plan vorher genau durchgesprochen. Ich sagte ihr, daß ich vier Personen verdächtigte, darunter auch Miss Addis. Die Idee mit den präparierten Zahlen stammt von Mrs. Cool. Sie leuchtete mir ein, und ich richtete mich streng danach.«
»Soviel ich weiß, haben Sie nicht nur die Zahlen, sondern auch die Berichte präpariert. Bestand nicht die Möglichkeit, daß beispielsweise Ihr Buchhalter die Akten einsah und dabei der Täuschung auf die Spur kam?«
»Nein. Ich habe dafür gesorgt, daß das nicht geschehen konnte. Mein Partner Duncan Arlington nahm die fraglichen Unterlagen an sich und schloß sie in seinem Schreibtisch ein. Jeder, der sie zu Informationszwecken hätte einsehen wollen, wäre lediglich auf den Vermerk gestoßen, daß sie sich zur nochmaligen Überprüfung bei Arlington befänden.«
»Dann war Ihr Partner also über den Plan im Bilde?«
»Natürlich. Als sich herausstellte, daß irgend jemand in unserem Betrieb Dowling mit Informationen versorgte, hatten Arlington und ich eine lange Besprechung. Und als ich mich dann zum Handeln entschloß, zog ich ihn selbstverständlich
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