Ein Quantum Tod: Roman (German Edition)
täuschen.
Molly kam jetzt schnell zum Ende ihrer Geschichte, also nahm ich die Gelegenheit wahr, in aller Stille ihre Schwester Isabella zu betrachten. Die scharlachrote Motorradkluft sah benutzt und abgetragen aus, so, als sei sie viel darin herumgereist. Sie selbst war muskulös genug, um eine Harley-Davidson stemmen zu können, ohne einen Schweißausbruch befürchten zu müssen. Selbst wenn sie still stand, brannte sie vor Vitalität, als ob sie nicht abwarten könne, hinauszugehen und etwas zu unternehmen. Und wenn man bedachte, dass sie eine der berüchtigten Metcalf-Schwestern war, waren das wahrscheinlich wilde und destruktive Dinge. Sie war eher attraktiv als hübsch, mit einem grobknochigen Gesicht voller Charakter, Entschlossenheit und überraschenderweise einem Hauch untertriebenen Make-ups. Sie verfügte auch über einen gewissen dunklen Charme, der bestimmt gefährlich war, aber da war auch etwas anderes um Isabella, etwas, das suggerierte, man könne mit ihr eine Menge Spaß haben, wenn man mit ihr Schritt halten konnte.
Sie war die einzige Frau, die ich kannte, die einen schlimmeren Ruf hatte als meine Molly. Eine übernatürliche Terroristin, eine Rächerin des Zwielichts, ein Indiana Jones der unsichtbaren Welt, die überall gewesen war und alles getan hatte. Isabella hatte ihr Leben der Entdeckung von Geheimnissen und der Jagd nach der Wahrheit gewidmet und sie kümmerte sich einen Dreck darum, wen sie dafür aus dem Weg schieben oder gar umlegen musste. Immer draußen, in den dunkleren Ecken der Welt, stöberte sie Geheimnisse und Dinge auf, die vernünftigere Leute in Ruhe gelassen hätten. Nur um denen, die sie gefunden hatte, Fragen zu stellen und sie an den Kopf zu treten, wenn die Antworten nicht schnell genug kamen. Sie suchte wohl nach etwas Bestimmten, aber ich glaubte nicht, dass irgendjemand wusste, was das war. Vielleicht wusste sie es nicht einmal selbst. Wahrscheinlich mochte sie es einfach, Dinge zu wissen. Und wenn Molly der ungezähmte Freigeist unter den Metcalf-Schwestern war, war Isabella auf jeden Fall der zugeknöpfte Kontrollfreak, der immer das Kommando haben musste.
Ich wusste, dass wir nicht miteinander auskommen würden. Aber sie war Mollys Schwester, also ...
Als sie endlich kapiert hatte, warum Molly so froh war, sie lebend und wohlauf zu sehen, erlaubte Isabella Molly grantig, sie zu umarmen, aber nur kurz.
»Also«, sagte sie kalt und musterte mich unfreundlich. »Jemand hat meine Gestalt angenommen? Das hat wirklich jemand gewagt? Mein Ruf muss gelitten haben. Ich habe gehört, dass man sich erzählt, ich sei weich geworden. Es geht nicht, dass die Leute so etwas über mich sagen. Ich sehe schon, ich werde losziehen und etwas Schreckliches anstellen müssen. Ich meine, schrecklicher als sonst. Es geht nicht an, dass die Leute glauben, dass man’s mit mir machen kann, sie werden sich sonst alles rausnehmen.«
»Vertrau mir, Iz«, meinte Molly. »Keiner glaubt, du seist weich geworden. Es gibt immer noch Religionen auf dieser Welt, in denen man bei den regelmäßigen Zeremonien rituell deinen Namen verflucht.«
»Na ja«, erwiderte Isabella. »Das ist doch schon mal was. Man muss der Konkurrenz immer einen Schritt voraus sein in diesem Spiel. Es gibt keine Zusammenarbeit, wenn es um das Ausbuddeln von Gräbern geht, das Plündern von Grüften oder das Entweihen von Kirchen. Da muss jedes Mädchen selbst ihren Mann stehen, und den Letzten fressen die Hunde. Oder vielleicht sollte es heißen, dass die Götter die Letzten fressen. Es läuft immer auf Angst, Abscheu und den absoluten Willen hinaus, Risiken einzugehen, die keine andere Person auch nur in Erwägung ziehen würde. Und ihr habt noch nicht erklärt, warum ihr hier seid, um meine Arbeit zu unterbrechen.«
»Ich dachte, es würde dich interessieren, dass die Droods jetzt wissen, dass du weißt, wie man ihre Verteidigungen umgeht«, sagte Molly. »Ich hasse Sätze wie diesen, denn sie lenken immer von dir ab. Ich musste es ihnen sagen, Iz, sie wollten wissen, wie dein Duplikat so leicht an der Drood-Sicherheit vorbeikommen konnte. Ich musste es ihnen sagen, damit ich das andere nicht sagen muss.«
»Das andere?«, fragte ich misstrauisch. »Was soll das denn anderes sein?«
»Später, Süßer«, erwiderte Molly.
Isabella sah mich an und zuckte dann einfach mit den Achseln. »Nimm es nicht persönlich, Drood. Deine Familie kümmert mich einen Dreck. Ich wollte nur in eure alte Bibliothek. Ich habe artig
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