Ein Schlag ins Herz
bereit, jede Summe zu bezahlen, um sie zurückzubekommen. Sie ist mehr wert als die fehlenden Geiseln.«
»Halt den Mund!«, zischte Herman.
Der Afghane sagte etwas zu dem Mann, der hinter ihm stand. Dieser eilte in eine der Behausungen und kam mit einem Satellitentelefon wieder heraus.
Der Anführer der Afghanen hielt sich das Telefon ans Ohr und fragte etwas. Nachdem er die Antwort gehört hatte, sagte er: »Falls dort eine Kapsel gewesen sein sollte, dann ist sie bei der Explosion des Flugzeugs zerstört worden. Aber du darfst uns gern mehr darüber erzählen …«
»Nein, die Frau ist eine von uns«, sagte Herman.
»Sie oder der Junge«, sagte der Afghane nun.
Herman schaute Sandrine ernst an.
»Wer von beiden?«, schnauzte der Mann.
Patrik begriff, dass die Ehre des Afghanen nach der Beleidigung durch Herman irgendwie wiederhergestellt werden musste.
»Der Junge«, sagte Herman. »Ich wähle den Jungen.«
Der Afghane ließ Daniel los. Sandrine richtete sich auf, und Patrik ballte die Fäuste.
Der Junge rannte zu seinem Vater, Herman ging in die Hocke und nahm ihn in den Arm.
»Lasst die Gefangenen hier, nehmt den Lastwagen und verschwindet!«, befahl der Afghane.
Dominik und die anderen starrten Herman an. Dann warfen sie sich gegenseitig Blicke zu, als wollten sie einschätzen, was mit dem Verräter geschehen sollte.
»Wo fahren wir hin?«, fragte Andrus seine Kameraden.
»Wir sollten dich hier bei deinen Freunden lassen«, sagte Dominik zu Herman. Dieser versuchte, seinen Sohn zu beruhigen, der sich an seinen Hals klammerte.
»Ihr braucht mich«, sagte er. »Bald werden die amerikanischen Truppen mit ihren Hubschraubern kommen. Die Afghanen verschwinden mit den Geiseln in den Höhlen. Und ihr werdet in diesem Gelände nur mit meiner Hilfe überleben.«
Die Männer schienen sich Hermans Worte durch den Kopf gehen zu lassen. Sie schluckten schwer an ihrem Hass.
Die afghanischen Kämpfer begannen inzwischen, die Geiseln in die Gebäude zu führen. Ein vermummter Mann packte Sandrine und zerrte sie brutal in eine andere Richtung: zu den Höhlen.
In Patrik mischten sich rasende Wut und Angst, und für einen Augenblick war er vollkommen gelähmt. Er wusste, welches Schicksal auf Sandrine in den Klauen jener Männer warten würde. Er musste etwas unternehmen, irgendetwas … Plötzlich stand der Anführer der Afghanen vor ihm.
»Ich weiß, wer diese Geiseln sind«, sagte der Mann, »aber dich kenne ich nicht.«
Sandrine entfernte sich immer weiter in Richtung Höhlen.
»Ich bin Finne und Experte für Kernenergie. Man hat mich getäuscht und dadurch auf das Atommüllschiff gelockt.«
»Er lügt«, sagte der Mann, der sein Gesicht verhüllt hatte, und richtete die Waffe auf Patrik.
»Warte«, befahl der Anführer. Interessiert musterte er Patrik. »Du behauptest, dich mit Atomkraft auszukennen?«
Patrik nickte. In der Ferne hörte man Rufe und näher kommende Helikopter. Nun wurden auch die restlichen Geiseln statt in die Gebäude in Richtung Höhlen gestoßen. Patrik drehte sich um und sah, wie Herman seinen Sohn ins Führerhaus des Lastwagens hob. Die anderen Entführer saßen bereits auf der Ladefläche. Das Auto wurde angelassen und fuhr sofort los, gefolgt von einer Staubwolke.
»Geh!«, sagte der Afghane und deutete auf die Höhle.
Patrik lief den anderen hinterher und trat nach kurzem Zögern in eine dunkle Öffnung, in der zuvor Sandrine und die Afghanen mit den Geiseln verschwunden waren. Die vertraute feuchtkühle Luft, in der es nach den Ausscheidungenvon Fledermäusen roch, wehte ihn an. Von der hohen Decke hingen riesige Stalaktiten. Die Höhle war typisch für ihre Art, Regenwasser hatte den Kalkstein ausgewaschen, und dadurch war sie entstanden. Patrik hatte zahlreiche solcher Höhlen in Afrika untersucht.
Der Weg in der Höhle führte nach unten und machte dann eine leichte Biegung nach links. Es wurde immer dunkler. Ein Stück vor ihnen schwenkten die Lichtkegel von Taschenlampen hin und her. Die Befehle und Rufe der Afghanen hallten von den Wänden wider.
Patrik beschleunigte seine Schritte. Er befürchtete, Sandrine könnte eventuell gar nicht in der Gruppe sein, die vor ihm ging; womöglich hatte der Afghane sie in eine andere Höhle gebracht …
Der Gang wurde immer schmaler und niedriger. Man befahl den Gefangenen, auf die Knie zu gehen. Von nun an mussten sie sich auf allen vieren vorwärtsbewegen.
»Ich kann das nicht«, sagte einer der amerikanischen
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