Ein Schritt ins Leere
würde besser darüber Bescheid wissen.»
«Aber Sie mussten sein Testament beglaubigen?»
Mrs Pratts rundes Gesicht verriet völlige Verständnislosigkeit.
«Sie sahen, wie er ein Papier unterzeichnete, und mussten es dann gleichfalls unterzeichnen?», versuchte Frankie es von neuem.
«Ganz recht, ganz recht», beeilte sich Mrs Pratt zu versichern. «Ich und Albert. Es war das erste Mal in meinem Leben. Ich sagte zu Gladys, dass ich sehr ungern meine Unterschrift auf ein Papier setzte; aber Gladys meinte, es müsse alles seine Richtigkeit haben, weil Mr Elford zugegen gewesen sei.»
«Wie spielte sich denn alles genau ab?», forschte Bobby.
«Wie bitte, Sir?»
Und wieder griff Frankie als Dolmetscherin ein: «Wer hat Sie geholt, damit Sie Ihren Namen schrieben?»
«Mrs Templeton. Sie kam in die Küche und befahl mir, Albert zu holen und mit ihm hinauf in das Schlafzimmer zu kommen, das sie für den fremden Herrn eingerichtet hatte. Da saß der Herr, aufrecht im Bett. Er war von London zurückgekehrt und gleich zu Bett gegangen. Und schrecklich elend sah er aus. Ich war ganz erschrocken, denn ich sah ihn zum ersten Mal. Mr Elford sprach dann sehr nett mit mir und sagte, ich brauche keine Angst zu haben; ich solle nur meinen Namen hinschreiben, wenn der Herr den seinigen geschrieben hätte. Und das tat ich, schrieb sogar noch Köchin dahinter. Dann kam Albert an die Reihe, und als ich wieder zu Gladys hinunterging, zitterte ich, weil ich mich so furchtbar vor dem armen Herrn entsetzt hatte, der aussah wie der leibhaftige Tod. Gladys meinte daraufhin, tags zuvor habe er noch ganz gut ausgesehen; irgendetwas müsse ihn in London derart mitgenommen haben. Er war übrigens sehr zeitig nach London gefahren, ehe einer von uns aufgestanden war.»
«Und wann starb Mr Savage – ich meine, der kranke Herr?»
«Am nächsten Morgen lebte er schon nicht mehr. Er schloss sich abends in sein Zimmer ein und wollte niemanden um sich haben, und als Gladys ihm den Morgentee brachte, lag er steif und tot in den Kissen und ein Brief neben ihm auf dem Nachttisch. ‹An den Coroner› stand darauf. Dann kamen die Behörden, die Leichenschau… Und zwei Monate später teilte Mrs Templeton uns mit, dass sie nach drüben übersiedeln wollte. Aber vorher verschaffte sie mir eine gute Stelle im Norden, wo ich noch höheren Lohn kriegte, und schenkte mir auch allerhand. Oh, sie war eine liebe, nette Dame.»
Frankie erhob sich von dem roten Plüschstuhl.
«Nicht wahr, Sie erlauben, dass ich Ihnen ebenfalls ein kleines Geschenk mache?», sagte sie und zog eine Banknote aus ihrer Tasche. «Weil ich Sie so sehr in Anspruch genommen habe.»
«Vielen Dank, Ma’am. Und alles Gute für Sie und Ihren netten Gatten.»
Lady Frances errötete und ging eiligst hinaus. Bobby folgte ihr eine Minute später.
«So. Nun haben wir das, was sie wusste, aus ihr herausgepumpt», stellte er sachlich fest, um Mrs Pratts letzte Bemerkung schnell vergessen zu machen.
«Ja. Und es passt zu dem, was wir von den anderen hörten. Es scheint kein Zweifel zu bestehen, dass Savage selbst das Testament aufsetzte, und ich vermute, dass auch seine Furcht vor Krebs echt war. Einen Londoner Facharzt konnten sie nicht bestechen. Aber wahrscheinlich haben sie Savage, nachdem er die rechtsgültige letztwillige Verfügung getroffen hatte, schnell ins Jenseits befördert, ehe er anderen Sinnes wurde. Aber wie das beweisen? Und wie beweisen, dass Bassington-ffrench möglicherweise den Brief an den Coroner fälschte? Der Brief ist inzwischen sicherlich längst vernichtet worden. O Bobby, da stehen wir also wieder vor dem alten Problem: Welche Entdeckung unsererseits befürchten Bassington-ffrench und seine Sippschaft?»
«Fällt dir nichts als besonders merkwürdig auf?»
«Nein – höchstens das eine. Warum schickte Mrs Templeton nach dem Gärtner, wenn das Stubenmädchen im Haus war? Warum haben sie nicht das Stubenmädchen geholt?»
«Drollig, dass du das sagst, Frankie!»
«Warum?» Sie sah ihn überrascht an.
«Weil ich zurückblieb, um Mrs Pratt nach Gladys’ Familiennamen und Adresse zu fragen.»
«Und?»
«Das Hausmädchen hieß Evans.»
32
F rankie schnappte nach Luft. Doch Bobby sprach bereits weiter:
«Du siehst, dass du genau dieselbe Frage wie Carstairs gestellt hast. Warum haben sie nicht das Hausmädchen geholt? Warum haben sie nicht Evans geholt? – Carstairs stutzte über das Gleiche. Er witterte etwas Unrechtes wie wir auch. Ich glaube
Weitere Kostenlose Bücher