Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
und dann mit in eine ruhige Nacht ohne Schnarchen und mit ungestörtem Schlaf bis zum Morgen, im selben Bett.
Auch wenn Sheila gar nicht glücklich darüber ist, ich habe dieses »Ich liebe dich« auch jetzt noch, während ich das hier schreibe. Sie nörgelt ständig daran herum, wie ich mich daran klammere. Außerdem unkt sie, dass ich mich auf neuen Schmerz gefasst machen kann, wenn er erst wieder obenauf ist und dieses ganze Gekuschel und die Sicherheit nicht mehr braucht. Dann wird wieder der Abend kommen, an dem er nicht anruft und nicht nach Hause kommt, und zwar bald, versichert sie mir. (Sie hat auf einmal einen starken New Yorker Akzent, was mich ein wenig einschüchtert. Sie hätten sie im Fitness-Studio hören sollen, als ich vor dem Spiegel stand und Gewichte hob, und zwar neben einer blonden Bodybuilderin, die nebenbei Personal Trainer meines Mannes ist.)
Aber ich ignoriere Sheila. Konzentriere mich lieber aufs Atmen und summe mein Mantra. (Von dem ich übrigens
immer noch nicht weiß, was genau es heißt – also singe ich wahrscheinlich in Sanskrit Lob sei Sheila !) Es klappt trotzdem. Ich fühle mich von diesem Mantra beruhigt und gestärkt. Ich kann das heute schreiben und gleichzeitig immer noch dieses überdeutlich artikulierte »Ich liebe dich« spüren und berichten, dass der Hochzeitstag einer der besten war, an die ich mich erinnern kann.
Dabei spielten Autos eine Rolle. So wie damals, als wir uns kennenlernten.
Es war gar nichts Großartiges. Wir hatten keinerlei Pläne. Stiegen nur in seinen Wagen und fuhren einfach drauflos. Wir wussten nicht genau, wohin, und hatten nichts vorbereitet. Trotzdem hatten wir beide Wanderschuhe und ein paar Schichten warmer Sachen an, weil es in der Nacht vorher den ersten Frost gegeben hatte und es jetzt in Montana Herbst war – in den Bergen lag schon Schnee. Wir taten uns zusammen wie Kinder, die von zuhause ausgerissen sind; die wollen nicht darüber reden, sondern drängen sich nur am Lagerfeuer der Wanderarbeiter in der Nähe der Bahngleise eng aneinander.
Es war nicht viel anders als vor zwanzig Jahren. Er fuhr schnell. Wir legten Musik ein. Ich starrte aus dem Fenster und dachte über einen Roman nach, den ich als Nächstes schreiben wollte.
Es ist witzig, wohin wir kamen. Wir fuhren das Tal der Länge nach ab bis zum State Park am Flathead Lake, wo wir zum ersten Mal waren, als wir überlegten, von Seattle hierherzuziehen. Ohne dass wir explizit darüber gesprochen hätten, hatten wir uns wohl beide überlegt, genau hier auf den Felsen zu sitzen und dem Fischadler zuzusehen und dabei die Berge rundherum zu betrachten.
Im Auto redeten wir nicht über die Kinder oder über Geld oder seine Schwester. Wir redeten überhaupt nicht viel, aber
nicht weil wir einander nicht hören wollten. Die Leitungen waren offen. Ich konnte das spüren – weit offen. Mir war sogar nach ein wenig Pathos zumute: »Weißt du, dass von allen wichtigen Menschen in meinem Leben nur zwei nicht versucht haben, mich zu dominieren? Mein Vater. Und du. Dafür bin ich dir dankbar.«
»Gern geschehen«, sagte er.
Mir wurde klar, welchen Bärendienst ich (mit reichlicher Unterstützung von Sheila) meiner Ehe erwiesen hatte, indem ich dieses Verhalten als Vernachlässigung ausgelegt hatte. Was war, wenn ich es umdrehte, so wie Byron Katie das in ihrem Buch Lieben was ist thematisiert. Was passiert, wenn ich es als Freiheit interpretiere? Ich beschloss, genau das fortan zu tun.
Ich erkannte auch, was Druck aus einem Menschen machen kann. Ich dachte darüber nach, wie er sich in den letzten Jahren mir gegenüber verhalten hatte, und ich fragte mich, was davon alles eine Reaktion auf den Druck gewesen war, den er von mir verspürt hatte. Wie oft hatte ich ihm unbewusst die Opferrolle vorgespielt? Kann ich ihn also für mein Leid verantwortlich machen? Damit ich diese Verantwortung nicht selbst übernehmen muss? Mein Gott, wenn das zutrifft, ist die Lage ziemlich verzwickt. Ich nahm mir vor, das ganze Bild zu betrachten.
Und ich beschloss, ohne Druck zu leben. Lieber im Fluss. Wenigstens für den Moment wollte ich das versuchen.
Und genau so machten wir es. Wir lebten im Fluss und kommentierten die Dinge, die wir sahen – Montana-Momente nennen wir sie: Drei alte Leute, die mit einem offenbar schweren Eimer neben der Straße hergehen. Eine Nonne, die auf einem Gartenstuhl an einer Autobahnausfahrt sitzt und den Leuten, die mit 90 Meilen die Stunde an ihr vorbeirasen, religiöse
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