Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
Schriften entgegenhält. Oder unser Bauhandwerker-Freund,
dessen Auto wir vor uns an der Ampel sichten und bei dem ein Bremslicht nicht funktioniert. Wir lesen die Nummer von seinem Lieferwagen ab und rufen ihn an. Fortziehende Gänse. Golden leuchtende Espenwälder. Ein Steinadler auf einem Verkehrsschild.
Wir hielten an einem Verkaufsstand von Hutterern und kauften riesige Äpfel und selbst gestampfte Butter. Außerdem legten wir bei einer Ranch einen Stopp ein, die zum Verkauf stand. Wir nahmen uns die Informationsunterlagen mit und überlegten laut, wie es wäre, eine Pferderanch zu besitzen. Wir plauderten über den Heupreis und darüber, dass er Leute dazu bringt, die Pferdezucht aufzugeben. Unser nächster Gedanke war, das Heu von unserer fünf Morgen großen Weide als Nebenverdienst zu verkaufen.
»Ich würde das gern machen«, sagte er. »Ich wollte schon immer gern in der Landwirtschaft arbeiten.«
Einen Großteil des Tages bestreiten wir mit Kommentieren und überraschen einander dabei ein ums andere Mal. Wir lernen ein Pärchen aus Toronto kennen, das auf Motorrädern und nur über Nebenstraßen von Calgary nach Silver City, New Mexico, unterwegs ist. Daraufhin rufen wir einen Freund an, der gerade erst nach Silver City gezogen ist, und verabreden die drei für die kommende Woche auf einen Drink dort. Wir benehmen uns so, wie wir waren, bevor wir geheiratet haben – als wäre unser Leben, samt den Menschen darin und unserer Umgebung, ein Spiel. Wir flirten. Und haben dabei aber kein bestimmtes Ziel im Auge.
Dann besuchten wir ein Restaurant, das in dieser touristischen Nebensaison erstaunlicherweise geöffnet war. Wir setzten uns auf die Terrasse, hörten der Jazzmusik zu, aßen eine Kleinigkeit und tranken Cosmo-Cocktails mit dem Aroma von Flathead-Kirschen und Wein und blätterten in Zeitschriften.
Die ganze Zeit über sprachen wir über Häuser, unkonventionelle Künstler, Reisen an entlegene Orte, die wir gerne einmal unternehmen würden. So mitten am Tag an einem Drink zu nippen gab uns das Gefühl, völlig sorglos in den Tag hineinzuleben.
Dann fuhren wir wieder zurück und hatten ein bisschen Sex. Ziemlich guten Sex, um genau zu sein. Und dann ging er hinaus, um den Rasen zu mähen. Und ich fuhr los, um die Kinder abzuholen, das Sushi und den Champagner. Mit dem »Ich liebe dich«, das ich immer noch habe, ganz weich in meine Handfläche geschmiegt.
Wir waren einander ebenbürtig. Keinerlei Piedestal zwischen uns.
Thanksgiving
9 Uhr morgens. An einem Dienstag im November.
Ich wache auf, und es ist hell. Zu hell für sieben Uhr morgens. Ich rieche ihn noch in den Laken neben mir, die auch noch warm sind. Dann höre ich seinen Wagen aus der Einfahrt zurücksetzen. Ich gehe an den Zimmern der Kinder vorbei, die leer sind. Ich habe verschlafen. Eigentlich habe ich einen leichten Schlaf. Wie ist das also möglich? Ich schätze, dass ich gerade das Defizit von so vielen ruhelosen Nächten ausgleiche.
Auf dem Küchentisch liegt ein Zettel in seiner Handschrift.
»Bin früh aufgestanden. Hab die Kinder zu einem Frühstück vor der Schule mitgenommen. Dachte, du könntest die Ruhe brauchen. Ich liebe Dich. Viel Glück beim Schreiben heute!«
Ich nehme das Blatt in die Hand und halte es fest, während ich mir Tee machen will. Die Kanne ist schwer und noch heiß. Er hat reichlich Tee gekocht, nicht nur eine Tasse für sich.
Inzwischen ist fast ein Monat vergangen. Ich habe die Überarbeitung eines Romans für eine wichtige New Yorker Lektorin beendet – die Lektorin, an die meine Agentin Anfang
des Sommers etwas geschickt hatte. Das wird möglicherweise meine erste Veröffentlichung nach so vielen Jahren, so vielen Büchern, so vielen Absagen. Aber jetzt betrachte ich das Ganze ziemlich gelassen.
Er hat ein Jobangebot im Bereich ökologisches Bauen – etwas, das er in die Hand nehmen könnte – aber erst mittelfristig. Wir haben noch genug Geld, um ein weiteres halbes Jahr zu überbrücken. Höchstens. Wenn aus meinem Buchprojekt etwas würde, wäre unsere finanzielle Situation deutlich entspannter. Ich bin voller Hoffnung. Meine Agentin ebenfalls. Und auch eine weitere Lektorin. Ich sitze an der Überarbeitung, aber mit einer neuen Gelassenheit und mit dem Vorsatz, diesen Prozess zu lieben. Allerdings fehlt mir einfach die nötige Zeit.
Da verkündet er eines Tages: »Du bist jetzt diejenige mit der beruflichen Chance. Also arbeite du, und ich halte den Laden am Laufen.« Zeit, Raum. Was
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