Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
auch mein Mann nicht da, um den Lukas zu hauen und für uns alle ein Plüschtier zu gewinnen, das in jenem Augenblick im Sommer das Wichtigste auf der Welt ist. Ziemlich sicher bin ich auf diesem Rummelplatz mutterseelenallein.
Angst schnürt mir die Kehle zu. Es erschreckt mich, daran zu denken, wie das Leben ohne ihn an meiner Seite sein könnte. Aber wenigstens weiß ich: Furcht ist nicht mein Freund. Lieber versuche ich es sofort wieder mit Nachempfinden, das ist viel besser.
Trotz allem mache ich mir an diesem Morgen Sorgen. Obwohl ich versuche, es wie Wellen über mich hinwegrollen zu lassen, muss ich gestehen, dass ich mir große Sorgen mache. Wie Mary in dem Film Ist das Leben nicht schön? , als George (alias James Stewart) ihre Kinder anschreit, die Weihnachtslieder spielen, einen Zusammenstoß mit dem abgebrochenen Knauf des Treppengeländers hat und sich mit dem Gedanken trägt, ob er am Ende tot besser dran wäre als lebendig. Doch wie Mary (auch wenn ich nicht Donna Reed bin), selbst wenn sie ihm vorwirft: »George, warum musst du denn die Kinder quälen!« – weiß ich im tiefsten Winkel meines Herzens, dass nichts gewonnen wäre, wenn ich ihn fallen ließe oder ihm Ultimaten stellen würde. Aber so ein Besuch vom Schutzengel Clarence, das wäre natürlich was. Wie bei George Bailey weiß ich, dass ein Großteil der Krise meines Mannes direkt mit Geldsorgen und unverwirklichten Träumen zu tun hat. Und wie sehr ich mir auch wünsche, seine Qual zu lindern, weiß ich doch, dass ich es nicht kann. Es ist einfach unmöglich. Das ist sein Job. Er muss sich aus diesem Schlamassel selbst befreien.
Ich verstehe jedoch den Schlamassel. Das heimtückische Terrain von Schande, die auf jahrelangem beruflichen Scheitern gründet. Ich selbst habe fast zwei Jahre gebraucht, um mich mit Hilfe einer wirklich guten Therapeutin da herauszukämpfen. Wie kann ich also von ihm erwarten, dass er das an einem einzigen Sommertag schafft?
Trotzdem, heute Morgen sitze ich hier und tippe diese Worte, schnell und zornig … und in meinen schlimmsten Momenten bin ich schwach. Ich verfalle in alte Muster. Die Angst hat mich fest im Griff, und ich taumele auf den Dreh- und Angelpunkt des Leidens zu: Und wenn es DOCH eine andere Frau gibt???
Nun weiß ich natürlich sehr wohl, liebe Leser, dass sich Ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit schon die Nackenhaare sträuben. Am liebsten würden Sie mir wahrscheinlich sagen, wie dumm es von mir ist, ein dermaßen inakzeptables Verhalten zu tolerieren. Sie möchten mich vermutlich kämpfen sehen.
Also, das tue ich ja auch. Ich bin eine echte Kämpfernatur. Ich genieße den Ruf, extrem schnell auf den Punkt zu kommen und geniale Lösungen in Lichtgeschwindigkeit zu liefern.
Aber in diesem Fall entscheide ich mich für eine andere Strategie, und ich meine, dass die so funktionieren wird, wie es Kämpfe, Überredungsversuche und Forderungen niemals könnten. Denn egal, ob er zu mir zurückkommt oder nicht, wird letztlich meine Selbstverpflichtung, nicht zu leiden, mich stärken. Das ist eine Lebenseinstellung. Eine Lebenseinstellung. Sie ist in vielen Religionen zu finden, funktioniert aber auch ganz ohne Glauben. Probieren Sie doch einfach mal selbst, ob und wie sie in Ihr Leben passt. Diese Freiheit sollten wir uns doch alle nehmen, nicht wahr?
Und ja – für mich ist diese Strategie auch neu. Ich bin mir sicher, dass es manchmal hart werden wird. Aber ich setze
darauf. Und ich werde das schreibend durchstehen. Für mich und für Sie. Für jeden, der in eine beliebige Situation gerät, bei der er versucht ist, in Panik zu geraten oder – noch schlimmer – in die Opferrolle zu schlüpfen, anstatt Verantwortung für das eigene Wohlbefinden zu übernehmen.
Ich schaue hinauf zu meinem Motto als Schriftstellerin, das ich über meinen Schreibtisch gehängt habe. Daneben hängen Fotos von meinem Sohn, wie er in der Mittagssonne einen Strand entlangläuft, von meiner Tochter mit einem Kranz aus Margeriten, der wie ein Heiligenschein strahlt, und von meinem Mann, wie er mich am Tag unserer Hochzeit küsst. Ich nehme mein Motto sehr ernst. Es ist mir eines Tages eingefallen, und ich habe es in den Computer getippt, ausgedruckt und neben das Bild eines Mountain Bluebird, einer seltenen, leuchtend blauen Drosselart, gehängt, der im Frühling, wenn noch Schnee liegt, hierher zurückkommt. Meine Tochter nennt diesen Zugvogel Hello Friend. Er ist ein echtes Symbol der Hoffnung nach einem
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