Dunkles Erwachen
Prolog
Wind strich durch Talons Haar.
Der hochgewachsene Mann hob seinen Kopf an und blähte die Nasenflügel. Er atmete die Duftmarke ein, die im Windhauch verborgen lag, und kniff die Augen zusammen.
Sein Blick wanderte über die weite Savanne, die im Licht der späten Nachmittagssonne golden leuchtete. Die vereinzelten Akazienbäume warfen lange Schatten auf das ausgetrocknete Gras.
Es hatte seit Wochen nicht mehr geregnet und die Wasserlöcher trockneten immer weiter aus. Die Tiere der Savanne waren träge geworden. Sie bewegten sich nicht mehr als nötig.
Talon spannte seine Muskeln an. Sehnen zeichneten sich unter der bronzefarbenen Haut ab, die von Staub bedeckt war. Er strich sich eine Strähne seines rotbraunen Haars aus dem Gesicht und fuhr mit der Zunge über seine rauen Lippen.
Die Trockenheit machte die Beute verwundbarer. Sein Blick wanderte forschend über den Horizont und suchte nach dem Ursprung des Dufts, den der Wind mit sich trug. Dort, weit im Südwesten, erhoben sich die schlanken Körper einer kleinen Gazellenherde wie Silhouetten aus dem Gras.
Talon atmete durch und lief die kleine Anhöhe hinab, die ihm einen guten Überblick über N'ches Reich bot.
Er wusste, dass er sich gefährlich nahe an dessen Grenzen aufhielt. Doch in seinem Revier befanden sich die ergiebigsten Wasserlöcher, und Durst ließ auch den einsamsten Jäger wagemutig werden.
Leichtfüßig setzte er seine Schritte auf den ockerfarbenen Boden. Das hohe Gras raschelte, während er durch das wogende Meer der Halme glitt.
Es mochten noch gut zweihundert Schritt bis zur Herde sein. Talon suchte das Leittier. Es stand etwas abseits und vom Wind abgewandt. Der Mann grinste und bleckte seine Zähne.
Er schlich in gebeugter Haltung weiter und stützte sich mit den Händen auf der krumigen Erde ab. Noch immer schienen die Gazellen keinen Verdacht geschöpft zu haben.
Talon verharrte für einen Augenblick und hob den Kopf an. Das nächste Tier war kaum noch zwanzig Schritt von ihm entfernt. Seine dünnen Hörner senkten sich nach vorne, als es äste.
Der hochgewachsene Mann schnellte vor. Seine Schritte peitschten über den Boden. Er grub seine Finger in die Erde und stieß sich ab.
Entsetzt sprangen die Gazellen auseinander. Helle Laute schrillten über die Savanne. Talon achtete nicht auf die anderen Tiere. Er hielt seinen Blick auf das Jungtier geheftet, das er sich als Beute ausgesucht hatte.
Die Gazelle machte mit ihren schlanken Beinen weite Sätze und schlug Haken, um ihrem Verfolger zu entkommen. Talon konnte sehen, wie sich ihre Flanke heftig hob und senkte. Der Atem brannte heiß in seiner Brust. Er stieß ihn aus und jagte dem jungen Tier nach.
Savannengras peitschte in sein Gesicht und zeichnete mit roten Striemen ein zerrissenes Muster auf seine dunkel getönte Haut. Ein dürrer Ast zerbrach knirschend unter ihm. Talon spürte das Blut in seinen Schläfen pochen. Sein Blick verzerrte sich. Er nahm nur noch den schlanken Körper vor sich wahr und konzentrierte sich auf dessen hastige Bewegungen. Alles andere um ihn herum ging in einem verschwommenen Nebel unter.
Die Hinterläufe stießen gefährlich hoch nach hinten. Er machte einen leichten Sprung zur Seite und hatte die Gazelle nun zu seiner Rechten.
Ihre Sätze wurden langsamer. Talon entfuhr ein heiseres Lachen. Seine Augen blitzten, als er seine Beine mitten im Lauf anspannte. Sein schlanker Körper schnellte durch die Luft. Die rechte Hand grub sich wie eine Pranke in den Rücken der Gazelle und riss das Tier zur Seite.
Mit seinem Gewicht warf Talon seine Beute zu Boden. Die Gazelle strauchelte und überschlug sich. Ein schriller Klang entfuhr ihr. Talon rollte über die harte Erde und spürte ein schmerzhaftes Ziehen in der Schulter. Sein Kopf ruckte herum. Die Gazelle taumelte und erhob sich auf die Hinterläufe.
»Nein!«, kam es grollend über seine Lippen. Er warf sich nach vorne und begrub den schlanken Körper unter sich. Die Gazelle wehrte sich hilflos in seiner Umklammerung und ruckte mit dem Kopf umher. Talon musste aufpassen, dass ihn die langen Hörner nicht verletzten.
Seine muskulösen Arme schlangen sich um den bebenden Hals. In einer fließenden Bewegung presste er seine linke Handkante gegen den Nacken der Gazelle, während seine rechte Hand den schmalen Kopf umklammerte und mit einem kräftigen Ruck zu sich her riss.
Augenblicklich erschlaffte der Körper unter ihm. Talon wartete noch ein paar Sekunden, dann
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