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Ein Stueck vom Himmel

Ein Stueck vom Himmel

Titel: Ein Stueck vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Lukan
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darin ans Seil gebunden. Mitten im Quergang löste sich der Knoten und die Schuhe verschwanden lautlos in der Tiefe.
    Lois stand barfuß in einer neuschneebedeckten Wand.
    Finster war es geworden. Ein nur 20 Zentimeter breites Felsband wurde unser Biwakplatz. An zwei Mauerhaken gebunden, mussten wir stehend die Nacht verbringen. Den Biwaksack hatten wir übergestülpt, in den Kletterrucksack steckte Lois seine Füße. Am Morgen lagen auf unserem Band 20 Zentimeter Schnee. Und aus dem Schneetreiben war ein Schneesturm geworden. Noch etwa 200 Höhenmeter Fels gab es über uns. Wenn wir wieder lebend aus der Wand herauskommen wollten, mussten wir sie erklettern. Es gab keine andere Möglichkeit. Bis jemand von der Hütte nach Scharnitz gelaufen wäre und Bergretter sich gesammelt und bis sie uns endlich in der verschneiten Wand erreicht hätten, wären wir längst erfroren gewesen. Lois sagte: »I geh, solange es meine Haxen aushalten!«
    Hoch lag der Schnee auf den Felsen, vereist war der Fels darunter. Ich versuchte die Tritte für Lois halbwegs vom Schnee freizumachen. Sicht gab es nur auf zwei, drei Meter. Oft musste ich wieder abklettern, um glatten oder überhängenden Stellen auszuweichen. Ich kletterte wie in Trance ... die Finger fanden wie von allein die richtigen Griffe, die Beine die Tritte. Damals war ich klettersüchtig. Jedes Wochenende war ich in Wänden unterwegs, während der Woche fuhr ich sehr oft nach der Arbeit zu den kleinen Felsen im Wienerwald. Klettern, klettern, klettern! Ich kletterte auch bei Regen, ich kletterte noch im Dezember, ich kletterte schon wieder im Jänner. Heute glaube ich, dass wir dieser Klettersucht unser Überleben in der verschneiten Lalidererwand verdankten.
    Auf den Standplätzen stellte Lois seine blutig aufgerissenen Füße in den Kletterrucksack, unterwegs hatte er sie mit Taschentüchern umwickelt. Sie hinterließen eine blutige Spur im Schnee. Lois sagte: »Jetzt ist der Weg durch die Lalidererwand sogar rot markiert!«
    Zuletzt hatten wir auch noch auf eine Standplatzsicherung mit Mauerhaken verzichten müssen. Lois hatte einige der geschlagenen Standhaken stecken lassen müssen, weil seine Kräfte zum Wiederherausschlagen zu schwach waren. Bald war auch der letzte unserer Haken dahin ...
    »Was is, wennst jetzt fliegst?«, fragte Loisl.
    »Das darf i jetzt nimmer!«, sagte ich. Und das hatte ich damals wirklich so gemeint.
    Um vier Uhr Nachmittag stiegen wir aus der Wand. Bis zum Knie standen wir im Neuschnee. Mit dem Taschenmesser schnitt Lois den gefrorenen Seilknoten ab und sagte: »Jetzt graust mir vorm Klettern!«
    Stumm schauten wir in die Tiefe, wo der fallende Schnee unsere letzten Schritte in der Wand immer mehr zudeckte.
    Vom Ausstieg aus der Wand bis hinab ins Tal (ins Rossloch und zur Kastenalpe) mussten wir an die 1000 Höhenmeter absteigen. Absteigen?
    Wir quälten uns durch die Schneemassen. Steilstellen rutschten wir auf dem Hintern runter – dabei mussten wir aber verdammt gut aufpassen, denn wir waren noch im felsdurchsetzten Gelände. Wo der richtige Weg verlief, wussten wir nicht. Nur hinunter wollten wir, hinunter. Dabei wurden die Füße von Lois immer mehr zu blutigen Fleischklumpen.
    Und dann kamen wir zu den Schafen.
    Es war schon nahe dem Talgrund. Die Schneeflocken waren zu dicken Wassertropfen geworden und wir sahen andere Farben als Weiß und Grau. Plötzlich Glockengebimmel ... und schon waren wir umringt von einer Schafherde. »Jetzt san wir nimmer allein!«, sagte Lois.
    Wir fühlten uns dem Leben wiedergegeben und geborgen inmitten der struppigen Schafleiber. Ein wundersames Gefühl war’s, das ich bis heute nicht vergessen habe.
    Ein wundersames Gefühl war’s auch, als wir den Talgrund erreicht hatten und wieder auf einem Weg standen, auf einem breiten Weg. Oberhalb von dem Weg sah Lois eine Hütte. In ihr wollte er auf Hilfe warten, ich lief weiter, um Hilfe zu holen. Doch die Hütte war versperrt. Unter ihrem Vordach rastete Lois eine Weile, dann wurde ihm zu kalt und er tappte und kroch zuletzt auf allen vieren in finsterer Nacht weiter. So traf ihn am nächsten Morgen das Rettungsauto, das ihn dann nach Innsbruck ins Spital brachte.
    Als wir Loisl im Spital aufsuchten, steckten seine Füße in dicken Verbänden. Sie waren von tiefen Fleischwunden zerrissen; die Zehen waren zwar angefroren, aber er konnte sie alle behalten. »Und die Lalidererwand kann uns zwei auch niemand mehr wegnehmen!«, sagte er.
    Es dauerte einige

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