Ein süßes Abenteuer
das nicht mehr infrage. Von diesen niederträchtigen Schurken würde sie sich ganz gewiss nicht einschüchtern lassen!
Falls dieser anonyme Brief von Henry Latimer stammte, was sie stark vermutete, hatte er sie damit nur in ihrem Entschluss bestärkt, Neville zu unterstützen. Auf diese Weise konnte sie wenigstens den Mord an dem armen Mr. Dobbins rächen und somit ihren persönlichen Anteil an der Schuld wiedergutmachen.
Sobald sie sich ein wenig beruhigt hatte, wollte sie Neville aufsuchen, um ihm alles zu erzählen.
Neville, der nichts von der Drohung gegen Diana ahnte, saß in seinem Arbeitszimmer an seinem Schreibtisch. Stirnrunzelnd blickte er auf den anonymen Brief, den er an diesem Morgen erhalten hatte. Wenn er die Suche nach den Entführern nicht aufgab, so lautete die Warnung, würde das nicht nur ihn und Jackson teuer zu stehen kommen, sondern auch die Duchess of Medbourne. Ganz besonders die Duchess.
Jener letzte Teil erschreckte ihn am meisten. Irgendwie musste er ihr klarmachen, dass sie in dringender Gefahr schwebte. Von nun an durfte sie sich nicht mehr mit diesen Verbrechen beschäftigen, genau genommen sollten sie einander nur noch so selten wie möglich sehen. Wenn sie einander begegneten, würden sie so tun, als hätten sie gestritten, als läge ihnen nichts mehr aneinander.
Natürlich würde es ihm das Herz brechen, sich auch nur für kurze Zeit von ihr zu trennen, aber ihre Sicherheit ging vor.
Kaum hatte er sich zu dieser Entscheidung durchgerungen, da trat sein Butler ein, um eine Besucherin zu melden. Ihre Gnaden, die Duchess of Medbourne, wünsche ihn in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen.
“Führen Sie sie herein”, sagte Neville. Je früher er ihr von dem Brief berichtete, desto besser. Ganz gleich, wie sie die Neuigkeit aufnahm, er würde sein Bestes geben, um sie zur Vernunft zu bringen.
Schon beim Eintreten erkannte Diana an seiner sorgenvollen Miene, dass etwas nicht stimmte.
“Was hast du denn?”, fragte sie. “Ist etwas Schlimmes geschehen?”
“Ja”, erwiderte er ernst. “Bitte sehr, nimm Platz, dann werde ich es dir erklären.”
“Nur, wenn du dich auch setzt. Ich möchte dir ebenfalls etwas mitteilen, doch als dein Gast lasse ich dich selbstverständlich zuerst zu Wort kommen. Mal sehen, wer von uns die schrecklichere Geschichte zu bieten hat.”
“Nein, rede du zuerst”, forderte er sie auf, denn er kannte sie gut genug, um zu ahnen, dass sie mit ihrem unbekümmerten Ton bloß ihre Angst überspielte.
“Also schön. Es heißt ja immer, dass Beichten der Seele wohltut, und meine Seele hat dringend eine Wohltat nötig”, bemerkte sie, während sie einen Brief aus ihrem Retikül zog.
Einen Augenblick lang zögerte sie, als ob sie nach Worten ringe, was ihr überhaupt nicht ähnlich sah. Als sie schließlich mit ihrem Bericht begann, klang ihre Stimme nicht im Geringsten mehr unbekümmert.
“Ja, ich muss dir etwas beichten, Neville. Nachdem du mir damals verboten hattest, dir bei der Suche nach den Mädchen zu helfen, beschloss ich, mir weder von dir noch von sonst irgendjemandem Vorschriften machen zu lassen. Daher suchte ich meinen Anwalt auf, der hin und wieder für mich prüft, ob meine Verehrer ehrliche Absichten hegen. Einer seiner Angestellten, ein Mr. Dobbins, pflegte Erkundigungen über die jungen Herren einzuholen, und ich fand seine Informationen immer sehr hilfreich. Diesmal erteilte ich ihm den Auftrag, so viel wie möglich über Henry Latimers und Frank Hollis’ Machenschaften herauszufinden.”
Bisher hatte sie ruhig und gefasst gewirkt, doch zu Nevilles Bestürzung brach sie plötzlich in Tränen aus. Schluchzend holte sie ein hauchzartes Taschentuch aus ihrem Retikül, mit dem sie reichlich wirkungslos ihre Augen abtupfte.
“Wenn du gestattest”, sagte er, indem er ihr sein großes, frisch gewaschenes Taschentuch anbot.
“Bitte entschuldige”, brachte sie nach einer Weile hervor. “Oh Neville, wenn ich deinen Rat doch nur befolgt hätte, anstatt den armen Mr. Dobbins anzuheuern! Heute Morgen habe ich erfahren, dass er tot aufgefunden wurde – ermordet, während er meinem Auftrag nachging! Er hinterlässt eine Witwe und zwei kleine Kinder. Stell dir vor, wie schuldig ich mich jetzt fühle! Auch wenn ich veranlasst habe, dass die Familie versorgt wird, bringt ihnen das den Ehemann und Vater nicht zurück. Ich werde mir nie verzeihen, dass er meinetwegen sterben musste, und wie könntest
du
mir je verzeihen, dass ich
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