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0624 - Die Tränen der Baba Yaga

0624 - Die Tränen der Baba Yaga

Titel: 0624 - Die Tränen der Baba Yaga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Unwillkürlich zuckte Zamorra zusammen. Er öffnete die Augen.
    Hatte jemand nach ihm gerufen?
    Aber alles, was er sah, waren das knisternde Kaminfeuer und seine Gefährtin Nicole Duval.
    Und die schlummerte, konnte ihn also nicht gerufen haben. Sie mußte ebenso eingeschlafen sein wie er selbst.
    Sie lag malerisch ausgestreckt neben ihm auf dem Fell vor dem Kamin. Da waren auch noch die überall verstreuten Kleidungsstücke, eine leere Weinflasche und leere Gläser. Zamorra lächelte. Vielleicht, überlegte er, sollten sie ihre Betten generell im Kaminzimmer aufstellen. Gerade in dieser kühlen Jahreszeit hielten sie sich beide neuerdings gern vor dem Feuer auf, und die anheimelnde Atmosphäre von Kerzenschein und flackernden Holzscheiten animierte sie oft genug dazu, den Tag gerade hier mit einem Glas Wein und zärtlicher Liebe zu beschließen.
    Und dabei träumte man sich zuweilen in den Schlaf, während man sich noch ein wenig aneinanderkuschelte und die Nähe des geliebten Partners genoß. Irgendwann später erwachte man dann und wechselte in die Schlaf räume hinüber…
    Jetzt aber stimmte etwas nicht.
    Zamorra war nicht von selbst erwacht, sondern von jemandem oder etwas? - geweckt worden.
    Und da war es wieder!
    Zamorra! Höre mich!
    Lautlos klang diese Stimme in seinem Kopf auf. Das, erkannte er jetzt, war es, was ihn aus dem süßen Entspannungsschlaf geschreckt hatte.
    Er richtete sich auf, ohne Nicole zu wecken, und ließ sich in einem der Ledersessel nieder.
    Höre mich, Zamorra!
    Abermals diese unheimliche, lautlose Stimme in seinem Kopf!
    Wer rief telepathisch nach ihm?
    Ein niederbrennendes Holzscheit knackte halblaut und zog damit seine Aufmerksamkeit auf sich. Zamorra sah in die Flammen, die gierig am trockenen Holz leckten und es rötlich glühen ließen.
    Plötzlich glaubte er eine Veränderung zu erkennen.
    War da nicht etwas in den Flammen, das nicht in das Kaminfeuer gehörte?
    Zamorra glaubte ein Gesicht zu sehen!
    Das Gesicht einer uralten Frau…
    Es zeigte sich jedoch nur sehr verschwommen und schemenhaft, verschwand, um nach Sekunden wieder aufzutauchen. Es gelang diesem Gesicht nicht, zwischen den Flammen stabil zu bleiben.
    Zamorra beugte sich vor, um besser sehen zu können.
    War das nicht…?
    Du kannst mich hören, Zamorra! drang der Ruf erneut telepathisch zu ihm vor.
    »Und ich kann dich sehen«, flüsterte er.
    Er erschrak. In seinen eigenen Ohren klang es superlaut. Hatte er mit seinem Flüstern jetzt Nicole aus dem Schlaf geschreckt? Aber sie lag immer noch ruhig da und schien von dem, was er gerade erlebte, nicht das geringste mitzubekommen.
    Und er kannte dieses Gesicht!
    Er wußte plötzlich, wer ihn aus der Ferne zu erreichen versuchte, nur wurde dieser Versuch von der weißmagischen Barriere um das Château Montagne abgedämpft, allerdings auch nicht ganz verhindert, wie es eigentlich hätte sein müssen!
    Oder doch nicht?
    Die Hexe, die sich ihm verschwommen in den Flammen zeigte, war doch nicht rein schwarzmagisch!
    Was für ein Wesen sie wirklich war, wußte er nicht.
    Ihm und Professor Boris Saranow hatte sie sich seinerzeit von der bösartigsten Seite gezeigt, dann aber schließlich sie beide ungeschoren wieder gehen lassen, wenngleich ihr Abschied für Zamorra mit einer handfesten Drohung verbunden gewesen war! [1]
    Die Baba Yaga…
    Die uralte Hexe, die in russischen Märchen lebte und darin ein seltsames Haus bewohnte und auf einem Ofen ritt, der sich auf Hühnerbeinen bewegte…
    Lange Zeit, über mehrere Jahre hinweg, hatte Zamorra von Baba Yaga, die viel mehr war als eine Märchenhexe und auch viel gefährlicher, nichts mehr gehört und sie schließlich sogar ganz vergessen.
    Jetzt aber meldete sie sich bei ihm zurück!
    Sie rief ihn!
    Und für Zamorra begann ein Alptraum ganz besonderer Art…
    ***
    Die Frau, die vor dem Ofen kauerte und ihre Hand in die Flammen hielt, ohne davon verbrannt zu werden, war alt, uralt.
    Ein verwittertes, bleiches Gesicht, das Ewigkeiten lang kein Sonnenlicht mehr gesehen hatte, mit schwarzen Augen, die tief in den Höhlen lagen. Strähniges, schmutziggraues Haar fiel dünn auf die Schultern. Lippen, die schmal wie Bleistiftstriche waren, unter einer scharf gebogenen Nase verrieten die Liebe zum Haß. Sie trug einen schwarzbraunen, einfachen Kittel, von dem durchdringender Modergeruch ausging. Es war fast ein Wunder, daß die Stoffasern nicht schon bei den ersten Bewegungen auseinanderfielen. Aber vielleicht war es der Schmutz, der

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