Ein Tag in Barcelona (German Edition)
EINLADUNG
Ein Buch über Barcelona soll ich schreiben. Ich habe mich auf meine Lieblingsparkbank auf dem Hügelchen Putxet gesetzt, mir die Stadt von oben angeschaut und nachgedacht. Ein persönliches Buch soll es werden, ein Buch, in dem ich davon erzähle, was mir seit meiner Geburt in dieser Stadt widerfahren ist, welche besonderen Menschen ich hier im Laufe der Zeit kennengelernt habe, welche versteckten Orte ich abseits der Ramblas und des Gaudí-Parks gefunden habe.
Was mache ich in Barcelona am liebsten? Spazieren gehen, flanieren, war mein erster Gedanke. Das kann man nirgendwo so gut wie hier – vom Berg zum Meer und zurück, von Sonnenauf- bis -untergang. Genau. Ein langer Spaziergang soll das Buch werden. Es muss eine ehrliche Liebeserklärung an diese herrliche Stadt werden, kein Kitsch in rosa »Vicky Cristina Barcelona«-Farben. Ich will auch schildern, was mir in unserer 34-jährigen Liebesbeziehung auf den Sack gegangen ist, und da gibt es einiges. Es ist leicht, Barcelona nicht zu mögen. Diese Phase habe ich auch schon durch. Provinziell, geizig, klein kann man diese hippe, architektonisch saucoole Metropole plötzlich finden. Unser Krach ist überwunden, mittlerweile sind wir wieder glücklich zusammen. Darüber will ich schreiben.
Bei diesem phantastischen Tag, meine lieben Leser, handelt es sich um eine Montage, ein Medley verschiedener wunderschöner Momente, die ich im Laufe der Jahre in Barcelona erlebt habe, von meiner Kindheit bis heute. * Ich würde mich freuen, wenn ich mit meiner kleinen Geschichte einen Anreiz geben kann, um Euch auf die Suche nach Eurem perfekten Tag in meiner Lieblingsstadt zu schicken.
Also, viel Spaß bei der Lektüre, geht zum Kühlschrank, nehmt Euch eine Fanta Orange oder Sprite, kippt ein wenig nicht allzu guten Rotwein dazu, zwei Eiswürfel und setzt Euch. Salut i força al canut!
* Die Karten, die den Kapiteln vorangestellt sind, zeichnen meinen Spaziergang durch Barcelona nach. Da ich auf diesem Weg einige gedankliche Abzweigungen nehme, spiegeln sie nicht immer die im jeweiligen Kapitel beschriebenen Orte wider.
Hier oben, auf dem Berg Tibidabo, versteht man den Teufel und das miese Geschäft, das er Jesus vorgeschlagen haben soll. »… et dixit illi haec TIBI omnia DABO si cadens adoraveris me«, lauten jene Zeilen aus der Bibel, die davon handeln. Auf Deutsch: »… und sagt zu ihm, all dies geb ich Dir, wenn Du vor mir auf die Knie gehst und mich anbetest …«
Wer könnte dem widerstehen?
Es ist früh, so sieben Uhr, und ich schwöre, ich war selten so früh wach in dieser Stadt. Heute habe ich mich aufgerafft, denn ich wollte unbedingt einmal den Sonnenaufgang über Barcelona von hier oben genießen. Der beste Platz dafür ist das Café Mirablau. Ein Klassiker, gastronomisch nichts Besonderes, aber mit einer Glasfront, die eine der schönsten Panoramasichten auf Barcelona überhaupt preisgibt. Der Kellner, verschlafen und muffig, brummt auf meine Bestellung hin irgendwas vor sich hin. Typisch für Spanien. Oder hat er mich bloß nicht verstanden?
»Un cortado y un sandwich mixto« , habe ich bei ihm bestellt, einen Kaffee und einen Toast mit Käse und Schinken. Vielleicht wollte er mich ja nicht verstehen. Ich probier’s auf Katalanisch: »Un tallat i un biquini.«
Endlich bringt er es. »Aquí tens« , bellt er, als er zurückkehrt und Tassen und Teller auf den Tisch wirft: »Hier hast du’s.« Ich suche mir den Sitzplatz, der am weitesten von ihm entfernt ist.
Eigentlich mag ich diese Muffigkeit, diese aus den tiefsten Fasern der Eingeweide herausgepresste, völlig hemmungslos zur Schau gestellte, unverschämte schlechte Laune. Denn mein Opa war genauso.
Aus Málaga, Andalusien, war er zunächst nach Madrid gezogen. Doch in den fünfziger Jahren ließ er sich in Barcelona nieder und arbeitete als Journalist und Stierkampfkritiker. Seine Frau hatte er immer im Schlepptau, sie folgte ihm so treu ergeben, wie es sich für die damalige Zeit gehörte (und in Spanien teilweise nach wie vor gehört). Ich sehe ihn noch heute vor mir, wie er mit einer Decke vor dem Fernseher sitzt, stoisch, ernst, eine Ducados-Zigarette – schwärzesten Tabak also – in der einen Hand hält und eine Thermoskanne mit brühend heißem Kaffee vor sich stehen hat.
Ich habe das Wohnzimmer immer mit einem Gefühl wahnsinniger Ehrfurcht betreten, habe mich kaum an den Sessel herangetraut, an dem er in meinen Kinderaugen festgewachsen schien. Ehrfurcht sage
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