Ein Tag und zwei Leben (Episode 1)
klinge glücklich und betrunken, aber das spielt keine Rolle mehr.
»Lea? Geht es dir gut?«
Er ist besorgt um mich. Deswegen liebe ich ihn! Also, wenn ich ihn gerade liebe. Das tue ich nämlich manchmal. Ehrlich …
»Ich liebe dich, Tobi!«
Jetzt liebe ich ihn also, wie es scheint. Okay, könnte schlimmer sein.
»Lea, wo steckst du? Bist du betrunken?«
»Ich bin auf dieser total lahmen Party und weißt du, was diese Party so richtig super machen würde?«
Wenn sich der Raum nicht so drehen würde – und wenn ich vielleicht etwas gegessen hätte, bevor ich wie abgedreht Alkohol in meinen Magen geschüttet habe.
»Wenn du hier wärst! Du fehlst echt total!«
Also nicht nur der Party, sondern vor allem mir!
»Wo steckst du denn?«
»Bei Damian.«
Stille. Ich höre Tobi atmen – und das nicht gerade entspannt. Nein, die beiden mögen sich nicht. Und nicht selten sind sie aufeinander losgegangen.
»Ich bin unterwegs.«
»Aber du musst verkleidet kommen! Halloween! Ich gehe als Katze! Miau!«
»Rühr dich nicht vom Fleck! Ich bin unterwegs!«
»Spitze!«
Das lief ja wunderbar! Mein Tobi kommt zu mir und dann kann ich ihn küssen. Und hoffentlich sieht Damian das dann und weiß genau, wie ich mich fühle! Ziemlich mies, um ehrlich zu sein. Ein bisschen frische Luft wäre super, hier drinnen wird nämlich zu viel geraucht. Und der süßliche Duft lässt erahnen, dass es nicht nur Nikotin ist.
Auf dem kleinen Balkon sitzen zwei Mädchen, die sich flüsternd unterhalten und kein Kostüm tragen. Spielverderber! Wenn sogar ich mich in einem Katzenkostüm hierher traue, dann hätten sie sich doch auch die Mühe machen können. Offenbar sehen sie das anders, denn meine Kostümwahl bringt sie erst zum Kichern und schließlich zum Verlassen des Balkons, was mir nicht unrecht ist. Ich möchte alleine sein, weil gerade viel in mir passiert und ich so meine Schwierigkeiten habe, auf alle Stimmen zu hören, die mit mir reden wollen. Klar, es war vielleicht nicht besonders clever, Tobi anzurufen. Vor allem, weil wir im Moment ja nicht mal zusammen sind. Wer weiß, vielleicht ist diese Trennung doch nun wirklich endgültig gewesen – und es ist so, als würde man immer wieder die gleiche Suppe aufwärmen. Oder es ist so, als würde man sich immer in die gleiche Decke kuscheln, während man die Lieblingsserie in der xten Wiederholung ansieht. Suppe – bäh! Decke plus Serie – yay!
Stuttgart leuchtet vor mir in der kalten und klaren Nacht und manchmal möchte ich meinen, hier, in dieser Stadt, spielt sich die ganze Welt ab. Ich habe alles, was ich brauche und bin durch schöne und traurige Erlebnisse mit ihr verbunden. Hier habe die größten Lachanfälle erlebt und die bittersten Tränen geweint. Hier habe ich Menschen getroffen, die ich nicht mehr missen möchte – und hier musste ich mich von Menschen verabschieden, die mir genommen wurden, ohne vorher mein Einverständnis einzuholen. Keine zwei Jahre … und noch immer hinterlässt Timo eine Lücke in meinem Leben und in meiner Seele, die ich weder mit Alkohol noch mit tollen Urlauben am Strand stopfen kann. Er ist weg, weil es zu viel wurde. Er ist weg, weil er nicht mehr wollte. Er ist weg, ohne mich zu fragen, ob ich ohne ihn weitermachen kann und will. Einfach so. Und niemand war da, um den Fall zu bremsen oder zu verhindern. Nur Damian, der mich in den Arm genommen hat und mich nicht mehr loslassen wollte. Tobi war für vier Monate in Australien und die Skype-Unterhaltung, als ich ihm davon erzählt habe, wurde ständig unterbrochen. Das war nicht seine Schuld, aber ich hatte mir gewünscht, dass er in den Flieger steigt und zu mir kommt. Weil er doch wusste, wie viel er mir bedeutet hat. Noch immer bedeutet. Weil er doch wusste, wie hart mich das alles getroffen hatte. Aber wer war da? Damian! Damian, der das beste und das schlechteste Timing der Welt hat. Der es schafft, immer da zu sein, wenn ich ihn brauche und immer dann auftaucht, wenn ich mir einrede, ihn nicht mehr zu brauchen.
Okay, okay. Genug! Hört auf ihr blöden Gedanken! Ich will weder an Timo, noch an Damian oder an Tobi denken müssen! Nicht jetzt! Ich bin viel zu betrunken, um mit der Flut an Informationen und Emotionen umgehen zu können. Außerdem ist mir schlecht. Richtig übel … Auch die frische Luft wird daran nichts ändern. Nein, mein Magen dreht Loopings und mein Kopf dreht sich spontan mal in die andere Richtung. Das läuft ja richtig super, Lea! Ausgesprochen super! Bevor
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