Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
Vom Netzwerk:
Sugg nannten sie ihn, von Scotland Yard - der hat sie sehr hart angefaßt, das arme Ding. Richtig erschreckt hat er sie und ihr das Gefühl gegeben, daß er sie für irgendwas verdächtigt, obwohl ich mir nun wirklich nicht vorstellen kann, was ein Mädchen wie sie von einem Toten haben soll, und das habe ich dem Inspektor auch gesagt. Er war auch zu mir sehr ungezogen, Mylord - ich muß sagen, seine Art gefiel mir gar nicht. >Wenn Sie Gladys oder mir etwas Konkretes vorzuwerfen haben, Inspektor< habe ich gesagt, >dann sprechen Sie es aus, das ist Ihre Pflicht, aber ich wüßte nicht, daß Sie dafür bezahlt werden, gegenüber einem Menschen in seinem eigenen Haus ungezogen zu sein<, habe ich gesagt. Wirklich«, sagte Mr. Thipps und wurde ganz rot auf dem Kopf, »er hat mich richtig in Wut gebracht, richtig in Wut gebracht, Mylord, und ich bin eigentlich ein friedfertiger Mensch.«
    »Das ist Sugg wie er leibt und lebt«, sagte Lord Peter. »Ich kenne ihn. Wenn er nichts anderes mehr zu sagen weiß, wird er unverschämt. Man kann sich doch denken, daß Sie und Ihr Mädchen nicht in der Gegend herumlaufen und Leichen zusammentragen. Wer lädt sich schon gern eine Leiche auf? Normalerweise ist es schwierig genug, sie loszuwerden. Sind Sie diese Leiche übrigens schon losgeworden?«
    »Sie liegt noch im Bad«, sagte Mr. Thipps. »Inspektor Sugg hat gesagt, es darf nichts angerührt werden, bevor seine Leute hier waren, um sie abzuholen. Ich erwarte sie jeden Augenblick. Falls Eure Lordschaft sich dafür interessieren, einmal einen Blick darauf zu werfen -«
    »Herzlichen Dank«, sagte Lord Peter, »das täte ich sehr gern, wenn es Ihnen keine Umstände macht.«
    »Keineswegs«, antwortete Mr. Thipps. Seine ganze Haltung, wie er über den Korridor voranging, überzeugte Lord Peter von zweierlei - erstens, daß er bei aller Schaurigkeit dessen, was er zu zeigen hatte, durchaus die Wichtigkeit genoß, die ihm und seiner Wohnung dadurch zukam, und zweitens, daß Inspektor Sugg ihm strikt verboten hatte, die Leiche jemandem zu zeigen. Letztere Annahme bestätigte Mr. Thipps selbst, indem er rasch noch den Schlüssel aus dem Schlafzimmer holen ging und dabei erklärte, die Polizei habe den andern mitgenommen, doch er habe es sich zur Regel gemacht, zu jeder Tür immer zwei Schlüssel im Haus zu haben, falls einmal etwas passierte. Das Bad war in keiner Weise bemerkenswert. Es war lang und schmal, und das Fenster befand sich genau über dem Kopfende der Badewanne. Die Scheibe war aus Milchglas, der Rahmen weit genug, daß ein Männerkörper hindurchpaßte. Lord Peter ging rasch hin, öffnete es und sah hinaus.
    Die Wohnung lag in der obersten Etage und etwa in der Mitte des Blocks. Das Badezimmerfenster blickte auf die Hinterhöfe hinaus, die ein paar Geräte- und Kohleschuppen, Garagen und dergleichen beherbergten. Dahinter schlossen sich die Hinterhöfe eines parallelen Häuserblocks an. Rechts erhob sich der ausgedehnte Bau des St. Luke's-Krankenhauses von Battersea mit dazugehörigem Gelände, und von dort führte ein überdachter Verbindungsgang zur Residenz des berühmten Chirurgen Sir Julian Freke, der die Chirurgie in diesem prächtigen neuen Krankenhaus unter sich hatte und außerdem in der Harley Street als hervorragender Neurologe mit höchst eigenen Ansichten bekannt war.
    Diese Informationen bekam Lord Peter ausführlich von Mr. Thipps ins Ohr geblasen, der von der Nachbarschaft so eines berühmten Mannes offenbar den Abglanz eines Heiligenscheins auf die Queen Caroline Mansions fallen sah. »Wir hatten ihn heute morgen hier«, sagte er, »wegen dieser scheußlichen Geschichte. Inspektor Sugg meinte, einer der jungen Krankenhausärzte könnte die Leiche zum Scherz hierhergebracht haben, denn die haben doch immer Leichen im Seziersaal. Darum ist Inspektor Sugg heute morgen zu Sir Julian gegangen, um ihn zu fragen, ob ihm eine Leiche fehlte. Sir Julian war sehr freundlich, wirklich sehr freundlich, obwohl er doch im Seziersaal mitten in der Arbeit steckte, als sie hinkamen. Er hat in den Büchern nachgesehen, ob dort alle Leichen nachgewiesen waren, und ist dann sehr entgegenkommenderweise sogar noch hierhergekommen, um sich das da« - er deutete auf die Badewanne - »anzusehen, und dann hat er gesagt, er kann uns leider nicht helfen - im Krankenhaus fehle keine Leiche, und die hier sähe auch keiner der Leichen, die sie dort hatten, ähnlich.«
    »Hoffentlich auch keinem der Patienten«, bemerkte Lord Peter

Weitere Kostenlose Bücher