Ein Universum aus Nichts - ... und warum da trotzdem etwas ist
veröffentlicht: »Vor einiger Zeit stattete mir R. W. Mandl einen Besuch ab und bat mich, die Resultate einer kleinen Berechnung zu veröffentlichen, die ich auf seine Bitte hin angestellt habe. Dieser Artikel entspricht seinem Wunsch.« Möglicherweise wurde ihm diese Formlosigkeit zugestanden, weil er Einstein war, ich nehme jedoch lieber an, dass sie der Zeit geschuldet war, in der wissenschaftliche Ergebnisse noch nicht stets in eine weit von der Umgangssprache entfernte Sprache verpackt waren.
Jedenfalls war die Tatsache, dass Licht gekrümmten Bahnen folgt, wenn der Raum selbst in Anwesenheit von Materie gekrümmt ist, die erste bedeutsame Vorhersage der Allgemeinen Relativität. AuÃerdem war es, wie schon erwähnt, die Entdeckung, die Einsteins internationalen Ruf begründete. Insofern ist es vielleicht nicht ganz so überraschend, dass Einstein, wie man kürzlich herausfand, schon 1912 und damit um einiges vor der Zeit, zu der er seine Theorie der Allgemeinen Relativität vollendet hatte, Berechnungen anstellte, die im Grunde mit denen übereinstimmten, die er 1936 auf Bitte von Herrn Mandl veröffentlichte. Damals hatte er sich bemüht, eine beobachtbare Erscheinung zu finden, mit der er Astronomen davon überzeugen konnte, seine Vorstellungen zu überprüfen. Er machte sich nie die Mühe, seine frühere Arbeit zu veröffentlichen â vielleicht weil er 1912 zum gleichen Schluss gekommen war wie in seinem Artikel von 1936, dass es nämlich »keine groÃe Chance gibt, dieses Phänomen zu beobachten«. Tatsächlich können wir nach Durchsicht seiner Notizbücher aus beiden Zeiträumen nicht mit Sicherheit sagen, ob er sich später überhaupt daran erinnern konnte, die ersten Berechnungen bereits 24 Jahre zuvor ausgeführt zu haben.
Wie Einstein bei beiden Gelegenheiten entdeckte, kann die Beugung des Lichts in einem Schwerefeld darauf hinauslaufen, dass die Lichtstrahlen, die von einem weit entfernten leuchtenden Objekt in verschiedene Richtungen ausgehen und dabei eine zwischen ihr und dem Beobachter liegende Massenverteilung passieren, genau um diese Masse gebeugt werden können. Dabei geschieht eben das, was auch beim Durchgang des Lichts durch eine normale Linse stattfindet â entweder wird das Bild des Ausgangsobjekts vergröÃert, oder es entstehen zahlreiche Kopien vom Bild dieses Objekts, von denen einige verzerrt sein können (siehe folgende Abbildung).
Einstein berechnete die vorhergesagten Auswirkungen des Linseneffekts für einen fernen Stern durch einen dazwischenliegenden Stern im Vordergrund. Der so berechnete Effekt war so klein, dass er absolut unmessbar zu sein schien. Das veranlasste ihn zu der oben zitierten Bemerkung, wonach es unwahrscheinlich sei, dass ein solches Phänomen je beobachtet werden könne. Folglich glaubte Einstein, sein Aufsatz habe wenig praktischen Wert. In seinem Begleitbrief an den Redakteur von Science drückte er es damals so aus: »Erlauben Sie mir auch, Ihnen für Ihre Zusammenarbeit bei dieser kleinen Veröffentlichung zu danken, die Herr Mandl mir abgenötigt hat. Ihr Wert ist gering, doch sie macht den armen Kerl glücklich.«
Doch Einstein war kein Astronom, und es bedurfte eines solchen, um zu bemerken, dass der von Einstein vorhergesagte Effekt vielleicht nicht nur messbar, sondern auch nützlich sein könnte. Der Nutzen stellte sich ein, als man ihn auf den Linseneffekt anwendete, den sehr groÃe Systeme wie Galaxien oder gar Galaxien-Cluster auf sehr weit entfernte Objekte ausüben, und nicht auf die Auswirkung eines Sterns auf einen anderen. Innerhalb einiger Monate nach Einsteins Veröffentlichung legte der brillante Caltech-Astronom Fritz Zwicky der Physical Review einen Aufsatz vor, in dem er zeigte, wie genau diese Möglichkeit praktisch umzusetzen war. 12
Zwicky war eine cholerische Persönlichkeit und seiner Zeit weit voraus. Schon 1933 hatte er die relative Bewegung von Galaxien im Coma-Cluster analysiert. Wie er mithilfe von Newtons Bewegungsgesetzen feststellte, waren die Galaxien dort so schnell unterwegs, dass sie eigentlich hätten auseinanderfliegen müssen, was den Galaxienhaufen zerstört hätte â es sei denn, der Cluster enthielt um den Faktor 100 mehr Masse, als durch die Sterne allein erklärt werden konnte. Demnach sollte man eigentlich Zwicky als den Entdecker der Dunklen Materie ansehen, doch
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