Ein Universum aus Nichts - ... und warum da trotzdem etwas ist
damals war seine Folgerung so erstaunlich, dass die meisten Astronomen wahrscheinlich glaubten, es könne vielleicht eine weniger exotische Erklärung für das von ihm gelieferte Ergebnis geben.
Zwickys nur eine Seite umfassender Aufsatz von 1937 war ebenso bemerkenswert. Er schlug drei verschiedene Anwendungen für Gravitationslinsen vor: (1) Ãberprüfung der Allgemeinen Relativität, (2) Nutzung von Galaxien als eine Art Teleskop, mit dem weiter entfernte, mit irdischen Fernrohren unsichtbare Objekte vergröÃert werden konnten, und, als wichtigster Punkt, (3) Auflösung des Mysteriums, warum Cluster mehr zu wiegen scheinen, als durch sichtbare Materie erklärbar ist: »Beobachtungen der Ablenkung von Licht in der Umgebung von Nebeln liefern vielleicht die unmittelbarste Bestimmung für die Masse von Nebeln und könnten die oben angesprochene Diskrepanz erklären.«
Zwickys Aufsatz ist inzwischen 75 Jahre alt, liest sich jedoch wie ein moderner Vorschlag, das Universum mithilfe von Gravitationslinsen zu sondieren. Tatsächlich ist jeder einzelne seiner Vorschläge umgesetzt worden, und der letzte hat von allen die gröÃte Bedeutung. 1987 wurden erstmals ferne Quasare durch Gravitationslinsen beobachtet, und 1998, 61 Jahre nachdem Zwicky vorgeschlagen hatte, Nebel mithilfe von Gravitationslinsen zu wiegen, hat man die Masse eines groÃen Clusters mithilfe einer Gravitationslinse bestimmt.
In jenem Jahr beobachteten der Physiker Tony Tyson und seine Kollegen bei den mittlerweile nicht mehr bestehenden Bell Laboratories 13 einen fernen groÃen Cluster mit der poetischen Bezeichnung CL 0024 + 1654 in etwa 5 Milliarden Lichtjahren Entfernung. Auf dem schönen, mit dem Hubble-Weltraumteleskop aufgenommenen Bild auf Seite 58 erkennen wir das spektakuläre Beispiel der mehrfachen Abbildung einer fernen Galaxie, die noch weitere 5 Milliarden Lichtjahre hinter dem Cluster liegt. Man sieht sie als stark verzerrte und in die Länge gezogene Bilder inmitten der ansonsten allgemein runderen Galaxien.
Der Anblick dieses Bildes gibt der Phantasie Nahrung. Erstens stellt jeder Punkt auf dem Foto eine Galaxie und keinen Stern dar. Jede davon umfasst vielleicht 100 Milliarden Sterne und dazu wahrscheinlich viele 100 Milliarden Planeten und möglicherweise lange untergegangene Zivilisationen. Lange untergegangen sage ich, weil das Bild die Situation vor 5 Milliarden Jahren zeigt. Das Licht wurde 500 Millionen Jahre vor der Zeit ausgesandt, in der unsere Sonne und die Erde entstanden sind. Viele der Sterne auf dem Foto existieren nicht mehr â sie haben ihren nuklearen Brennstoff vor Milliarden von Jahren verbraucht. Darüber hinaus zeigen die verzerrten Abbildungen genau das, was Zwicky als Möglichkeit vorgetragen hat. Die groÃen verzerrten Abbildungen links der Mitte sind stark vergröÃerte (und in die Länge gezogene) Versionen dieser fernen Galaxie, die ansonsten wahrscheinlich überhaupt nicht sichtbar wäre.
Wenn wir ausgehend von diesem Bild die entsprechende Massenverteilung innerhalb des Clusters bestimmen wollen, stehen wir vor einer komplizierten und komplexen mathematischen Herausforderung. Tyson musste dafür ein Computermodell des Clusters entwerfen und alle möglichen Wege der Strahlen von der Quelle durch den Cluster nachvollziehen; mithilfe der Allgemeinen Relativität bestimmte er die entsprechenden Pfade, bis die dabei entstandenen Werte am besten mit den Beobachtungen übereinstimmten. Als der Staub sich verzogen hatte, erhielten Tyson und seine Mitarbeiter eine grafische Darstellung, die genau wiedergab, wo die Massen innerhalb des im Originalfoto abgebildeten Systems verteilt waren.
Auf diesem Bild ereignet sich etwas Merkwürdiges. Die Spitzen des Graphen stehen für den Ort der sichtbaren Galaxien im Ausgangsbild, doch der gröÃte Teil der Masse des Systems befindet sich in einer glatten, dunklen Verteilung zwischen den Galaxien. Zwischen den Galaxien liegt tatsächlich mehr als das 40-Fache der Masse, die im System als sichtbare Materie vorhanden ist â das 300-Fache der in den Sternen allein vorliegenden Masse, während der Rest aus der sichtbaren Materie in Form heiÃer Gase in ihrer Umgebung besteht. Dunkle Materie ist eindeutig nicht auf Galaxien beschränkt, sondern dominiert auch die Dichte von Galaxien-Clustern.
Teilchenphysiker wie ich waren nicht überrascht von dem Befund, dass Dunkle
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