Ein Universum aus Nichts - ... und warum da trotzdem etwas ist
gekrümmter dreidimensionaler Raum überhaupt aussehen könnte. Da wir dreidimensionale Wesen sind, können wir uns einen gekrümmten dreidimensionalen Raum ebenso wenig intuitiv vor Augen führen, wie die zweidimensionalen Wesen aus dem berühmten Buch Flatland sich nicht vorstellen können, wie ihre Welt für einen dreidimensionalen Beobachter aussähe, wenn diese wie die Oberfläche einer Kugel gekrümmt wäre. Ist die Krümmung auÃerdem noch sehr klein, so ist kaum vorstellbar, wie man sie im normalen Leben überhaupt wahrnehmen könnte â genau wie viele Menschen zumindest im Mittelalter überzeugt waren, die Erde müsse flach sein, weil sie aus ihrer Perspektive flach aussah.
Gekrümmte dreidimensionale Universen sind schwer darzustellen â ein geschlossenes Universum ähnelt einer dreidimensionalen Kugel, was sich ziemlich einschüchternd anhört â, aber einige Aspekte sind leicht zu beschreiben. Würde man in einem geschlossenen Universum weit genug in die Ferne blicken, würde man seinen Hinterkopf sehen.
Diese exotischen Geometrien mögen einem unterhaltsam oder als eindrucksvolles Gesprächsthema vorkommen, doch praktisch hat ihre Existenz weit bedeutsamere Konsequenzen. Die Allgemeine Relativität besagt eindeutig, dass ein geschlossenes Universum, dessen Energiedichte von Materie in Form von Sternen und Galaxien und der noch exotischeren Dunklen Materie beherrscht wird, eines Tages wieder in sich zusammenfallen muss . Dieser Vorgang lässt sich als Umkehrung des Big Bang verstehen â als Big Crunch, eine Art »groÃer Zusammenbruch«. Ein offenes Universum wird sich mit finiter Geschwindigkeit auf ewig immer weiter ausdehnen, und ein flaches Universum befindet sich genau auf der Grenze â es wird langsamer, kommt aber nie zum Stillstand.
Eine Bestimmung der Menge Dunkler Materie und damit der Massendichte des Universums insgesamt versprach demnach die Antwort auf die uralte Frage (zumindest so alt wie T. S. Eliot) zu liefern: Wird das Universum mit einem Donnerschlag oder mit einem Winseln enden? Die Geschichte, wie versucht wurde, die Gesamtmenge der Dunklen Materie im Universum zu bestimmen, reicht mindestens ein halbes Jahrhundert zurück. Man könnte ein ganzes Buch darüber verfassen, was ich mit meinem Buch Quintessenz auch schon getan habe. In diesem Fall zeigt sich jedoch, was ich sowohl mit Worten als auch mit einer Abbildung demonstrieren werde, dass ein einziges Bild zumindest mehr sagt als tausend (oder womöglich sogar 100000) Worte.
Die gröÃten durch Gravitation gebundenen Objekte im Universum heiÃen Galaxien-Supercluster. Sie können Tausende einzelner Galaxien oder mehr enthalten und sich über viele Dutzend Millionen Lichtjahre erstrecken. Die meisten Galaxien liegen innerhalb solcher Supercluster, und auch unsere MilchstraÃe existiert innerhalb des Virgo-Superclusters â dessen Zentrum fast 60 Millionen Lichtjahre von uns entfernt ist.
Da Supercluster so riesig und massereich sind, dürfte im Grunde alles, was überhaupt innerhalb von etwas liegt, in Clustern versammelt sein. Wenn wir also Galaxien-Supercluster wiegen und dann die Gesamtdichte solcher Cluster im Universum schätzen könnten, wären wir imstande, das Universum einschlieÃlich der gesamten Dunklen Materie zu »wiegen«. Mithilfe der Gleichungen der Allgemeinen Relativität könnten wir dann bestimmen, ob die Menge der Materie für ein geschlossenes Universum ausreicht oder nicht.
So weit, so gut, aber wie können wir Objekte wiegen, deren Durchmesser Dutzende Millionen Lichtjahre beträgt? Ganz einfach. Wir nutzen die Schwerkraft.
1936 veröffentlichte Albert Einstein auf Drängen eines Amateur-Astronomen namens Rudi Mandl in der Zeitschrift Science einen kurzen Aufsatz mit dem Titel »Lens-Like Action of a Star by the Deviation of Light in the Gravitational Field« (Linsenartige Wirkung eines Sterns durch Lichtablenkung im Gravitationsfeld). In diesem kurzen Artikel zeigte Einstein die bemerkenswerte Tatsache, dass der Raum selbst wie eine Linse wirken und Licht beugen sowie dessen Bild vergröÃern kann â genau wie die Linsen meiner Lesebrille.
1936 war eine freundlichere, höflichere Zeit, und es ist interessant, die formlose Einleitung von Einsteins Aufsatz zu lesen, denn schlieÃlich wurde er in einer herausragenden Wissenschaftszeitschrift
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