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Ein Universum aus Nichts - ... und warum da trotzdem etwas ist

Ein Universum aus Nichts - ... und warum da trotzdem etwas ist

Titel: Ein Universum aus Nichts - ... und warum da trotzdem etwas ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence M.Krauss
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anderer Beobachter alternativ dazu etwas messen könnte, was aussieht wie die Zeichnung unten. Hier bewegt sich das Elektron in der Zeit vorwärts, dann rückwärts und anschließend wieder vorwärts.

    Eine negative Ladung, sie sich in der Zeit rückwärts bewegt, ist jedoch mathematisch gleichwertig zu einer positiven Ladung, die sich in der Zeit vorwärts bewegt! Die Relativität würde demnach die Existenz positiv geladener Teilchen erfordern, deren Masse und andere Eigenschaften denen der Elektronen entsprechen.
    In diesem Fall kann man Feynmans zweite Zeichnung wie folgt interpretieren: Ein einzelnes Elektron fliegt dahin, und an einer anderen Position im Raum entsteht aus nichts ein Paar aus Elektron und Positron, worauf das Positron mit dem ersten Elektron zusammentrifft und sie sich gegenseitig auslöschen. Danach bleibt ein einzelnes, sich weiterbewegendes Elektron.

    Wenn einen das nicht stört, kann man Folgendes in Betracht ziehen: Für einen kurzen Augenblick sind, selbst wenn man mit einem einzigen Teilchen beginnt und mit einem einzigen Teilchen aufhört, drei Teilchen unterwegs:

    In der kurzen Zwischenzeit ist zumindest für einen sehr kurzen Augenblick etwas aus dem Nichts aufgetaucht! In seinem Aufsatz »A Theory of Positrons« beschreibt Feynman 1949 dieses scheinbare Paradoxon mit einer Analogie:
    Es ist, als würde ein Bombenschütze durch die Beobachtungsöffnung eines tief fliegenden Flugzeugs plötzlich drei Straßen sehen und erst beim Zusammentreffen und anschließenden erneuten Verschwinden von zwei dieser Straßen bemerken, dass er einfach eine einzige lange Straße mit Haarnadelkurven überflogen hat.
    Solange dieser Zeitabschnitt im Verlauf der »Kurve« so kurz ist, dass wir nicht alle Teilchen direkt messen können, implizieren Quantenmechanik und Relativität nicht nur, dass diese verrückte Situation erlaubt ist – sie ist sogar erforderlich. Teilchen, die in unmessbar kurzen Zeitskalen auftauchen und verschwinden, heißen virtuelle Teilchen.
    Die Erfindung einer ganzen Sammlung nicht zu messender neuer Teilchen im leeren Raum hört sich an, als würde man vortragen, auf einer Nadelspitze sitze eine große Zahl von Engeln. Und die Vorstellung wäre auch ähnlich schwach, wenn diese Teilchen zu keinen anderen messbaren Effekten führen würden. Doch obwohl sie nicht direkt messbar sind, erzeugen ihre indirekten Wirkungen den größten Teil der Eigenschaften des Universums, die wir heute erfahren. Und das ist nicht alles – wie diese Teilchen wirken, kann präziser berechnet werden als alles, was in der Wissenschaft sonst noch zu berechnen ist.
    Nehmen wir beispielsweise ein Wasserstoffatom – jenes System, für dessen Untersuchung und Erklärung Bohr seine Quantentheorie zunächst entwickelt hatte und zu dessen Beschreibung Schrödinger später seine berühmte Formel entwickelte. Die Schönheit der Quantenmechanik lag darin, dass sie die spezifischen Farben des Lichts erklären konnte, das der Wasserstoff emittiert, wenn er erhitzt wird. Das Argument lautete, dass die um das Proton kreisenden Elektronen nur auf diskreten Energieniveaus existieren können – wenn sie von einem Niveau zum nächsten springen, dann absorbieren oder emittieren sie nur einen bestimmten Satz von Lichtfrequenzen. Die Schrödinger-Gleichung erlaubt es, die vorhergesagten Frequenzen zu berechnen, und sie liefert eine fast genau richtige Antwort.
    Aber sie ist nicht vollkommen exakt.
    Als man das Spektrum des Wasserstoffs sorgfältiger untersuchte, war zu erkennen, dass es komplizierter war, als zunächst vermutet. Man beobachtete einige zusätzliche kleine Unterteilungen zwischen den Ebenen, die als »Feinstruktur« des Spektrums bezeichnet wurden. Diese Unterteilungen waren zwar schon seit Bohrs Zeit bekannt gewesen. Man vermutete, dass es möglicherweise mit relativistischen Effekten zu tun hatte, aber solange keine vollständig relativistische Theorie verfügbar war, war diese Vermutung nicht zu erhärten. Zum Glück konnte Diracs Gleichung die Vorhersagen im Vergleich zu Schrödingers Gleichung verbessern, und sie bildete die allgemeine Struktur der Beobachtungen einschließlich der Feinstruktur ab.
    So weit, so gut. Im April 1947 führten der amerikanische Experimentalphysiker Willis Lamb und sein Student Richard Retherford jedoch einen Versuch durch, der

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