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Silver Moon

Silver Moon

Titel: Silver Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elea Noir
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Das Heulen des Wolfes

    Mias Schreie waren nicht zu überhören. Ihre dünne Kinderstimme hallte durch die kargen Flure unseres ärmlichen Hauses. Der Wind, der durch die geöffneten Fenster blies und frische Luft hereinwehte, trug ihre Hilferufe auch ins oberste Geschoss, in dem ich gerade die Betten überzog. Ich ließ alles fallen und eilte hinunter zu meiner kleinen Schwester, die völlig verängstigt auf der Schwelle der Haustüre stand und Tränen in den Augen hatte.
    »Mia, was ist geschehen?«, fragte ich bestürzt und musste im ersten Moment an unseren Vater denken. Hatte er ihr etwa wieder etwas angetan? Meine Augen suchten hektisch ihren zierlichen Körper nach Blessuren ab, aber sie schien unversehrt zu sein. Außerdem war es noch früh am Morgen, zu früh für Vater. Derart zeitig würde er nicht aufstehen. Mia zitterte und zeigte unentwegt nach draußen.
    »Mia, was ist nur passiert?«, ließ ich nicht locker und trat über die Schwelle, um selbst nachzusehen. Draußen war nichts, außer den ersten glitzernden Sonnenstrahlen, die sich durch das Dickicht des angrenzenden Waldes stahlen. Über den Baumwipfeln senkte sich der bleiche Nebel, um den Tag willkommen zu heißen. Nichts sah nach Gefahr aus; nichts war zu erkennen, das annähernd den verängstigten Zustand von Mia erklärt hätte; nichts außer der friedlichen Stille begrüßte mich an jenem Donnerstagmorgen.
    »Ein Wolf! Hinter dem Hühnerstall liegt ein großer Wolf, er ist tot – glaube ich«, vernahm ich die piepsende Stimme meiner Schwester, die mich mit furchterfüllten Augen ansah.
    »Ein Wolf?«, fragte ich ungläubig. Noch ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, bewegten sich meine Beine ganz automatisch – ich rannte gar zum Hühnerstall. Mein Herz trommelte, als ich um die kleine Behausung schlich, und tatsächlich … Es war nicht Mias kindliche Fantasie gewesen! Ein ausgewachsener, stattlicher Wolf lag im feuchten Gras zu meinen Füßen und winselte kläglich.
    Hastig streifte mein Blick sein Fell, das an den Hinterläufen mit Blut getränkt war. Er heulte qualvoll auf, was mich zusammenzucken ließ. Mia stand neben mir und begann zu weinen.
    »Psst, sei leise, nicht weinen! Geh lieber und hole Kai! Sag ihm, du hast einen verwundeten Hund gefunden, doch wecke Vater nicht, sonst bekommen wir alle eine Menge Ärger!«
    »Aber das ist doch gar kein Hund, sondern ein …« Ich hielt ihr die Hand vor den Mund. »Tu, was ich dir gesagt habe, und hole Kai, schnell!« Mia tat, wie ihr befohlen, und rannte zurück zum Haus, um unseren Bruder zu holen, denn wenn einer Erfahrung mit wilden Tieren hatte, dann war es Kai. Er war zwar erst sechzehn Jahre alt, allerdings zählten ein Adler und ein zahmes Reh zu seinen besten Freunden. Ich betete innerlich, dass Mia leise sein würde und unseren Vater nicht aufweckte, ansonsten hätte der Wolfshund keine Chance – Vater würde ihn sofort töten. Vorsichtig kniete ich mich neben das Tier; meine Furcht zu leugnen, wäre falsch gewesen, denn ich hatte einerseits große Angst vor diesem grauen Wolf, andererseits war mein Mitgefühl stärker, und ich wagte es, über sein Fell zu streicheln, und wurde überrascht … Er war weich und legte sich entspannt zurück, als ich ihn sanft kraulte.
    Es erschien mir wie eine Ewigkeit, bis meine Geschwister wiederkamen. Mia rannte vorneweg, aus der Haustür hinaus, und Kai folgte ihr. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände und er zog sich im Laufen die Jacke an. Beide eilten über die noch feuchte Wiese, hinab zu mir in eine Furche, wo der Hühnerstall errichtet war. Kai schien keineswegs erfreut. »Na, ganz wunderbar, als hätten wir nicht schon genug Probleme«, gab er zum Besten und blickte skeptisch auf das verwundete Tier.
    »Was sollen wir mit ihm machen? Wir können ihn doch nicht hier liegen lassen!« Ich klang verzweifelt und Kai strich sich seine dunklen, langen Haare aus dem Gesicht. Er schüttelte den Kopf.
    »Nein, hier liegen lassen können wir ihn auf gar keinen Fall. Vater erschießt ihn, wenn er ihn findet!«, dachte Kai laut nach und wurde einsichtig.
    »Also gut, bringen wir ihn in meine Hütte in den Wald, aber ob er diesen Schuss überleben wird, kann ich nicht versprechen!«
    »Diesen Schuss? Du meinst, er ist angeschossen worden?« Ich wollte es nicht glauben und sah mir die Verletzung genauer an. Kai konnte richtigliegen, aber wir hatten keine Zeit. Wir mussten das verletzte Tier schleunigst wegbringen. Die Angst davor, dass unser Vater

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