Ein unverbindliches Ja
Sommermäntelchen ab. Dabei entdeckt er die Flasche Wein und das Spiel.
»Übrigens, laut Paragraph … sind Geldspiele untersagt!«
Er führt mich durch seine Drei-Zimmer-Wohnung und stellt ein Gefäß mit Wasser für den Hund in die Küche. Der Rundgang endet im Wohnzimmer. Schröder nimmt schnaufend in der Ecke Platz. Hendrik und ich setzen uns vis-à-vis an einen langen rechteckigen Tisch. Mein Blick trifft auf zwei große, nebeneinander hängende Bilder. Das Ungewöhnliche daran ist: Es handelt sich um exakt dasselbe Motiv, im gleichen Rahmen und gleicher Größe, Jesus mit seinen zwölf Jüngern. Der schwere verschnörkelte goldene Rahmen passt ausgesprochen gut zu den Bonbonfarben des Bildes. Kitsch in seiner ganzen Perfektion und das zweimal nebeneinander. Man muss mehr als schlechten Geschmack haben, sich so etwas aufzuhängen. Doch es kommt noch besser: An der benachbarten Wand umgibt ein etwas kleinerer, aber nicht minder protziger goldener Schnörkelrahmen einen dicken Engel.
»Glaubst du an Gott?«, bricht es aus mir heraus.
»Nein – wieso fragst du mich das, Mareike?«
Na, warum wohl?
»Entschuldige mal, wenn ich so die Bilder betrachte, drängt sich diese Frage ja förmlich auf.«
Er wiegelt ab. »Ach, die Bilder – nein, nein. Ich glaube weder an Gott noch an ein Schicksal oder Ähnliches. Die Menschen nehmen sich viel zu wichtig. In meinen Augen basiert alles auf Zufällen.«
Während er spricht, beginne ich, das Vier-Gewinnt -Spiel aufzubauen. Hendrik schenkt den Wein ein. Im Hintergrund spielt eigenartige klassische Musik, in meinen Ohren Katzenmusik. Die disharmonischen Töne rufen bei mir Gänsehaut hervor. Es klingt irgendwie unheimlich, fast beängstigend. Ich habe Hendrik mehr Geschmack zugetraut. Aber wenn ich so recht überlege, passt diese seltsame Musik zu ihm und seinen abartigen Bildern. Er ist irgendwie eigenartig, anders als andere – nicht schlechter, nur anders. Es ist schwer zu erklären.
Wir beginnen zu spielen. Ich setze den ersten Stein, Hendrik den zweiten, ich den dritten und immer so weiter. Konzentriert auf das Spiel starrend sprechen wir kein Wort, bis Hendrik schließlich seinen Kopf hebt und mich überlegen angrinst, ein zufriedenes breites Lächeln. So ein Mist, er hat gewonnen. Vier seiner Steine in einer Reihe. Ich ziehe eine Haarnadel aus meiner Hochsteck-Frisur und lege sie demonstrativ neben das Spiel.
Er guckt auf die Haarnadel und dann zu mir. Anscheinend denkt er über meine Handlung nach. Ich deute sein Schweigen als Einwilligung zu dieser neuen Spielregel. Wir sortieren die Steine für die nächste Partie. Ich beginne.
Leider unterscheidet sich der Ausgang dieser Runde nicht von der vorherigen. Denn wieder ist er derjenige, der lächelnd seinen Kopf hebt. Es kostet mich nun schon die zweite Haarnadel.
»Wie viele davon hast du in deinem Haar versteckt?«, möchte er wissen.
»Acht Stück.«
Drittes Spiel: unentschieden. Als ich dann die vierte Runde verliere, öffne ich ganz langsam den Reißverschluss meiner eng anliegenden schwarzen Jacke. Darunter bin ich nur noch mit einem Spitzenbody bekleidet. Hendrik verfolgt meine Bewegung und ist sichtlich erfreut, dass ich mich der Jacke und nicht einer weiteren Haarnadel entledige.
Endlich wendet sich das Blatt. Hendrik verliert seine Socken, den Pulli und den Ring. Nun sitzt er mir nur noch in T-Shirt und Jeans gegenüber – sehr schön. Die achte Runde bedeutet für mich den Verlust einer weiteren Haarnadel und nach Ablauf des neunten Spiels muss Hendrik sich von seinem T-Shirt oder der Jeans verabschieden.
Bei der erotischen Vorstellung, dass er vielleicht gleich mit freiem Oberkörper vor mir sitzt, wird mir ganz heiß. Doch worauf wartet er noch?
»Hendrik, du hast verloren!«, mahne ich mit erhobenem Zeigefinger.
»Ja doch, ich weiß.«
Trotzdem macht er keine Anstalten, das T-Shirt oder die Jeans auszuziehen.
»Na, was gibt es denn da noch lange zu überlegen? Du hast doch nur zwei Möglichkeiten.«
Er unterbricht: »Also, ich wüsste da noch eine dritte. Wie sieht es zum Beispiel mit einem Kredit aus?«
Nach langen Diskussionen einigen wir uns auf eine Spielregelerweiterung. Das Wahrheit-oder-Pflicht -Spiel ist Hendriks Rettung. Dabei kann der Verlierer entscheiden, ob er sich einer Frage des anderen Spielers stellt oder eine geforderte Tat ausführt.
»Und, Hendrik, was darf es in deinem Fall sein?«
Er entscheidet sich für Pflicht .
»Na gut, wenn du es so willst. Zieh dein
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