Die böse Brut
Ich fluchte einige Male.
»Sei ruhig, John, und rudere weiter. Du hast das Treffen schließlich gewollt.«
»Es ist trotzdem Mist.«
»Wir können es nicht ändern. Denk an das Treffen.«
Da hatte mein Freund und Kollege Suko Recht. Wir wollten einen Mann treffen, den wir nicht kannten, und das noch mitten in der Nacht. Er hatte vor knapp zwei Stunden angerufen, und der Klang seiner Stimme hatte mich aufmerksam werden lassen. Die Angst war zum Greifen nahe gewesen. Sie klingelte jetzt noch in meinen Ohren nach. Ich wusste, dass der Mann kein Spinner war, und deshalb hatte ich mich zusammen mit Suko auf den Weg gemacht.
Natürlich hatte ich wissen wollen, worum es ging. Da hatte er nicht so recht mit der Sprache herausgerückt. Seine Antworten waren allgemein gehalten worden. Er hatte von einer Verfolgung gesprochen und von Dingen, die ihn belasteten.
Die Begriffe »Hölle« und »Satan« waren ebenfalls gefallen, und bei so etwas wurde ich eben misstrauisch. Ich hatte auch Suko davon überzeugen können, mich zu begleiten, aber der Treffpunkt konnte uns beiden beim besten Willen nicht gefallen.
Es war eine kleine Insel inmitten dieses toten Flussarms. Dort hatte sich unser Informant verkrochen.
Die Insel sahen wir noch nicht. Stattdessen ruderten wir und wechselten uns dabei ab. Suko war den ersten Teil der Strecke gerudert und hatte mir den zweiten überlassen.
Es machte keinen Spaß. Der alte Kahn war unbeweglich, zu schwer und zu träge. Es konnte allerdings auch sein, dass meine Ruderei daran die Schuld trug, denn zu den perfekten Ruderern konnte ich mich nicht zählen.
Die Geräusche blieben gleich. Es war vor allen Dingen das Eintauchen der Ruderblätter und das Quaken der Frösche, was uns begleitete. Ich war nicht der perfekte Steuermann, immer wieder spritzte das Wasser in die Höhe und benetzte uns.
Wir hatten schon über die ungewöhnliche Atmosphäre gesprochen, die uns umgab. Hier trafen das Wasser und die schwüle Luft zusammen. An der Schnittstelle hatten sich Dunstschwaden gebildet, die wie feine Tücher auf dem dunklen Wasser lagen.
Wir waren allein unterwegs. Abgesehen von Mücken und sonstigem Getier. Menschen hielten sich nicht in unserer Nähe auf. Es gab keine Hausboote und auch keine kleineren Wasserfahrzeuge, die an den Ufern festlagen.
Ich ruderte. Der Bug befand sich hinter meinem Rücken. Vor mir am Heck hatte Suko seinen Platz eingenommen. Er konnte an mir vorbeischauen, was er nicht immer tat, denn hin und wieder blickte er voll in mein Gesicht und zeigte ein impertinentes Grinsen, während ich so vor mich hinschwitzte und die beiden Ruderblätter möglichst gleichmäßig durch das Wasser zog.
»Grins nicht so.«
»Ich sehe dich eben gern arbeiten.«
»Danke, das habe ich verstanden.«
»Es ist zudem nicht mehr weit.«
Siehst du die Insel?«
»Ja.«
»Noch weit weg?«
»Nein, aber in der Dunkelheit können die Entfernungen bekanntlich täuschen.«
Ich ließ mich nicht täuschen und holte die Ruder ein. Auf der Stelle drehte ich mich um und sah den dunklen Fleck aus dem Wasser ragen. Das musste die Insel einfach sein. Selbst bei diesen schlechten Sichtverhältnissen war zu erkennen, dass ihr Ufer dicht bewachsen war und es nicht einfach werden würde, dort anzulegen.
Ich fasste wieder zu, um weiterzurudern, als das Boot von einem Schlag an der Backbordseite getroffen wurde. Im ersten Moment saßen wir beide völlig starr, und wir dachten auch daran, über einen Felsen oder so etwas Ähnliches gefahren zu sein, dann klärte sich die Sache sehr schnell, denn Suko hatte ins Wasser gegriffen und zog mit beiden Händen eine Planke in die Höhe.
Es konnte auch ein Stück Treibholz sein, so genau war das nicht zu erkennen. Jedenfalls schleuderte Suko das Fundstück nicht wieder zurück ins Wasser, sondern legte es zwischen uns, weil er es sich anschauen wollte.
Er holte die kleine Lampe hervor und leuchtete das Fundstück an. Es war eine Planke und musste zu einem Boot gehören. Das wäre nicht weiter tragisch gewesen, denn irgendetwas fand sich immer in den Kanälen. Aber Suko war trotzdem aufmerksam geworden und auch misstrauisch, denn im Schein der Leuchte erschien eine ziemlich neue Schnitt- oder Bruchstelle. Als wäre es dort erst vor kurzem abgebrochen oder regelrecht zerhackt worden.
»Sieht neu aus, John.«
Ich nickte nur.
»Kein Treibholz jedenfalls.«
»Was folgerst du daraus?«
»Dass jemand dieses Boot, zu dem die Planke gehört, zerstört hat, und zwar
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