Ein Vampir fuer alle Sinne
nickte er, drehte sich um und verließ abermals das Zimmer, wohl um etwas Essbares für sie zu besorgen.
Jeanne Louise sah ihm nach, und kaum dass er die Tür hinter sich zugezogen hatte, konzentrierte sie sich wieder auf die Kette, weil sie herausfinden wollte, ob es sich um eine einzige lange Kette oder um mehrere einzelne Stücke handelte. Vermutlich war das aber auch völlig egal, da sie in ihrer Position praktisch keine Hebelwirkung anwenden konnte, um irgendetwas zu erreichen.
Ihre einzige Hoffnung war die, dass der Mann ihre Fesseln löste, wenn er ihr etwas zu essen brachte. Dann würde sie ihn mühelos überwältigen können, was natürlich umso einfacher war, wenn ihr Verstand nicht mehr unter dem Einfluss des verabreichten Medikaments stand. Dann konnte sie ihn nämlich einfach kontrollieren und ihn dazu veranlassen, ihr die Ketten abzunehmen. Es würde ihr eine Menge Mühe ersparen.
Welchen Vorschlag dieser Mann im Sinn hatte, konnte sie nicht mal erahnen, aber es gab nur wenige Sterbliche, die von der Existenz der Unsterblichen wussten. Dabei handelte es sich um vertrauenswürdige leitende Angestellte bei Argeneau Enterprises oder um außergewöhnlich brillante Wissenschaftler, die eingeweiht sein mussten, damit sie ihrer Aufgabe gerecht werden konnten. Er musste zu den Letzteren gehören, aber welcher Gruppe auch immer er zuzurechnen war, ein Sterblicher musste stets im Auge behalten werden. Von Zeit zu Zeit wurden sie auf ihren Geisteszustand untersucht, um Gewissheit zu haben, dass sie nicht irgendeine Dummheit begehen und sich beispielsweise mit ihrem Wissen an die Presse wenden wollten. Und dass sie auch nicht auf die Idee kamen, eine Unsterbliche zu entführen, an ein Bett zu ketten und ihr irgendwelche Vorschläge zu unterbreiten.
Irgendjemand hatte bei diesem Mann offenbar geschlafen, überlegte Jeanne Louise verärgert. Die Tatsache an sich machte ihr keine großen Sorgen, sie hatte auch keine Angst. Sie war nur verärgert darüber, dass sie aus ihrer Routine gerissen worden war und sie wohl den größten Teil des Tages würde wach bleiben müssen, bis diese Angelegenheit erledigt war. Sie musste herausfinden, welche Pläne dieser Mann verfolgte und ob er irgendwen eingeweiht hatte, und dann mussten seine Erinnerungen gelöscht und die Situation ins Reine gebracht werden. Das einzig Gute daran war, dass Jeanne Louise sich nicht selbst darum kümmern musste. Die Vollstrecker erledigten solche Angelegenheiten, allerdings würde sie noch stundenlang Fragen beantworten und alles Mögliche erklären müssen. Es war einfach nur lästig, und Jeanne Louise mochte es ganz und gar nicht, wenn sie ihrem gewohnten Rhythmus nicht nachgehen konnte.
Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als die Tür sich öffnete und sie erwartungsvoll in diese Richtung blickte. Ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie sah, dass der Mann mit einem Teller Essen in der Hand hereinkam. Er würde ihre Fesseln auf jeden Fall lösen müssen, um sie zu füttern. Doch im nächsten Moment musste sie einsehen, dass die Intelligenz des Kerls sich nicht auf die Forschungsabteilung bei Argeneau Enterprises beschränkte. Er hielt den Teller mit nur einer Hand fest, mit der anderen bediente er irgendwas neben dem Bett, woraufhin sich das Kopfende langsam nach oben zu bewegen begann.
»Ein Krankenhausbett«, erklärte er mit breitem Grinsen, als er ihre verblüffte Miene bemerkte. »Die sind sehr praktisch.«
»Allerdings«, bemerkte sie trocken, während er innehielt und sich suchend umsah.
»Bin gleich zurück«, sagte er, stellte den Teller auf dem Fußboden ab und ging erneut aus dem Zimmer. Diesmal dauerte es nicht mal eine Minute, bis er mit einem Holzstuhl zu ihr zurückkehrte, den er neben das Bett stellte. Er hob den Teller hoch und setzte sich hin. Dann führte er eine Gabel mit Essen zu ihrem Mund, woraufhin sie verärgert den Kopf zur Seite drehte.
»Ich habe keinen Hunger.«
»Sie hatten aber doch gesagt, dass Sie Hunger haben«, gab er überrascht zurück.
»Das war gelogen.«
»Ach, kommen Sie. Ich habe das jetzt extra aufgewärmt. Sie können ja wenigstens mal davon probieren«, sagte er in einem Tonfall, als würde er mit einem störrischen Kind reden. Als sie ihn nur finster ansah, lächelte er sie charmant an und hielt ihr wieder die Gabel hin. »Es ist Ihr Lieblingsessen.«
Das ließ sie aufhorchen und erstaunt auf den Teller sehen. Das war tatsächlich ihr Lieblingsgericht: Käseomelett mit
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