Ein Vampir zum Valentinstag (German Edition)
nicht erkennen konnte. Sie erklang erneut, diesmal als gedämpftes Murmeln, das sie an einen Donner erinnerte, und Mirabeau hörte, wie geflüstert wurde: »Du zuerst. Ich ziehe die Tür hinter uns zu und schließe ab.«
Diese Worte waren offenbar nicht für sie bestimmt. Mirabeau spähte nach oben, um herauszufinden, wer da zu ihr in den Kanal stieg. Eigentlich erwartete sie nur eine weitere Person: ihren Helfer, mit dem zusammen sie Lucians Auftrag erledigen würde. Er sollte auch das Paket mitbringen, das sie beide abliefern sollten. Sie ging selbstverständlich davon aus, dass ihre Verstärkung männlich sein würde. Im Norden der Vereinigten Staaten und in Kanada gab es nur wenige weibliche Vollstrecker. Eshe, mit der sie für gewöhnlich zusammenarbeitete, war momentan nicht verfügbar. Umso überraschter reagierte sie, als sie erkannte, dass sich gerade ein weibliches Wesen an den Abstieg ins Kanalsystem machte. Eine schlanke Person in einem knielangen Kleid kam die Leiter herunter und stellte sich neben Mirabeau. Sie hatte eigentlich angenommen, dass die dritte Person nur die Tür verschließen würde, doch der Mann kam nun ebenfalls zu ihnen geklettert.
Mirabeau machte dem kräftigen Mann Platz und begutachtete die beiden Neuankömmlinge im Licht der Taschenlampe, die nun freundlicherweise auf den Boden gerichtet wurde, damit sie sie nicht mehr blendete. Allerdings konnte Mirabeau im Dunkeln ohnehin sehr gut sehen und die beiden so deutlich erkennen, als stünden sie in gleißendem Sonnenlicht.
Bei der Frau handelte es sich mit Sicherheit nicht um die erwartete Verstärkung. Das Mädchen war erst vierzehn oder fünfzehn Jahre alt – für einen Normalsterblichen ein Kind, in den Augen eines Wesens aber, das bereits älter als vierhundertfünfzig Jahre war, lediglich ein Säugling. Die Kleine war dünn und flachbrüstig und trug das blonde Haar in einem Pferdeschwanz, der ihre jugendlichen Züge und ihren zarten Hals betonte.
Mirabeau fragte sich, wer sie wohl sein könnte und was sie hier unten zu suchen hätte. Irgendwie kam sie ihr bekannt vor, aber sie kam nicht dahinter, woher. Dann begutachtete sie den Mann genauer, und das Mädchen war sofort vergessen. Mirabeau hatte in ihrem Leben schon eine Menge sterbliche und unsterbliche Kerle getroffen, aber kaum einer konnte mit diesem Prachtexemplar mithalten. Er überragte Mirabeau trotz ihrer eins achtzig um einen guten Kopf und sah zudem auch noch großartig aus, hatte dunkles Haar und schroffe Gesichtszüge, die Mirabeau ausnehmend gut gefielen. Zudem hatte er eine schöne breite Brust und Schultern, um die ihn jeder Footballspieler beneidet hätte. Seine Taille dagegen war schlank, und außerdem – wenn sie bei seinem Abstieg in den Kanal richtig gesehen hatte – schien ihr sein Hintern einer der tollsten zu sein, die ihr in den letzten Jahren untergekommen waren. Ein Po, in den man seine Fingernägel graben konnte, während man den Kerl antrieb, damit er -
»Du lieber Himmel, nicht ihr auch noch.«
Mirabeau zwinkerte irritiert und sah den entnervten Teenager fragend an. Wieso auch noch ?
»Nicht nur du «, erklärte das Mädchen stöhnend und deutete zuerst auf Mirabeau und dann auf den Mann. »Du und du, ihr denkt beide darüber nach, wie es wohl wäre, Sex miteinander zu haben. Ihr seid genauso schlimm wie Decker und meine Schwester. Die sind auch ständig scharf aufeinander … oder treiben es.« Sie seufzte unglücklich und fuhr fort: »Das ist so armselig. Lieber habe ich niemals Sex und verzichte auf einen Lebensgefährten, als zu so einem sabbernden Idioten zu mutieren wie ihr alle.«
Mirabeau starrte das Mädchen an, und eine ganze Reihe von Gedanken huschte durch ihren Kopf. Jetzt wusste sie, wer die Kleine war. Dass ihre Schwester mit einem gewissen Decker zusammen war, konnte nur bedeuten, dass es sich bei diesem jungen Mädchen hier um Stephanie McGill handelte. Ihre Schwester Dani McGill war die Gefährtin von Decker Argeneau Pimms. Die Kleine war noch nicht lange unsterblich. Erst im Sommer hatte ein abtrünniger Vampir sie gekidnappt und gewandelt. Damals waren auf der Suche nach dem Mädchen alle verfügbaren Jäger zu Hilfe gerufen worden; auch sie selbst und ihre Kollegin Eshe waren dabei gewesen. Sie hatten das Mädchen leider erst gefunden, nachdem sie der Abtrünnige, ein Schlitzer, bereits gewandelt hatte. Glücklicherweise war Stephanie nicht zu einem Schlitzer, sondern zu einer Edantante geworden. Die Edantante hatten
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