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Das Buch der Schatten 1 - Verwandlung

Das Buch der Schatten 1 - Verwandlung

Titel: Das Buch der Schatten 1 - Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiernan Cate
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1
CAL BLAIRE
    »Hüte dich vor dem Magier und wünsche ihm wohl, denn er besitzt Kräfte, die dein Fassungsvermögen weit übersteigen.«
    HEXEN, ZAUBERER UND MAGIER
Altus Polydarmus, 1618
     
    Irgendwann in vielen Jahren werde ich zurückblicken und mich an den heutigen Tag als den Tag erinnern, an dem ich ihm zum ersten Mal begegnet bin. Ich werde zurückblicken und mich exakt an den Augenblick erinnern, an dem er in mein Leben trat. Daran werde ich mich immer erinnern.
     
    Ich trug ein grünes Knüpfbatik-T-Shirt und Jeans. Meine beste Freundin, Bree Warren, kam in einer weißen Bauernbluse und einem langen schwarzen Rock, der ihr bis zu den violetten Zehennägeln reichte, auf mich zu. Sie sah schön und stilvoll aus.
    »Hey«, rief sie mir entgegen.
    »Wir sehen uns in Mathe«, sagte ich zu Janice Yutoh und ging Bree ein paar Stufen entgegen. Sie umarmte mich zur Begrüßung, obwohl wir uns erst am Tag
zuvor gesehen hatten. »Hey«, grüßte ich sie zurück. »Es ist heiß. Am ersten Schultag sollte es eigentlich frisch sein.« Es war nicht mal halb neun, doch die frühe Septembersonne brannte weiß vom Himmel und es regte sich kein Windchen in der dumpfen Luft. Trotz des Wetters war ich aufgeregt, erwartungsvoll: Ein neues Schuljahr begann und wir waren endlich in der vorletzten Klasse.
    »Vielleicht in der Gegend um den Yukon«, meinte Bree. »Du siehst toll aus.«
    »Danke«, sagte ich, froh über ihr diplomatisches Geschick. »Du aber auch.«
    Bree sah aus wie ein Model. Sie war groß – eins fünfundachtzig – und hatte eine Figur, für die sich die meisten Mädchen zu Tode hungern würden. Doch Bree aß alles und fand, Diäten seien etwas für Lemminge. Sie hatte nerzfarbenes langes Haar, das sie sich normalerweise in Manhattan schneiden ließ, und zwar so, dass es ihr in perfekt verwuschelten Locken auf die Schultern fiel. Wohin wir auch gingen, überall drehten sich die Leute nach ihr um.
    Bree wusste, dass sie toll aussah, und sie genoss es. Weder tat sie Komplimente mit einem Achselzucken ab noch jammerte sie über ihr Aussehen, und sie tat auch nicht so, als wüsste sie nicht, wovon die Leute redeten. Aber sie war auch nicht eingebildet. Sie akzeptierte einfach nur, wie sie aussah, und fand es cool.

    Sie warf einen Blick über meine Schulter auf die Widow’s Vale High. Die ziegelsteinroten Mauern und die hohen palladianischen Fenster verrieten die frühere Funktion unserer Schule als Gerichtsgebäude der Stadt. »Sie haben die Balken nicht frisch gestrichen«, sagte sie. »Wieder mal.«
    »Nein. – O mein Gott, sieh dir Raven Meltzer an«, sagte ich. »Sie hat ein Tattoo.«
    Raven, die im Abschlussjahrgang war, war das wildeste Mädchen auf unserer Schule. Sie hatte schwarz gefärbtes Haar und sieben Körperpiercings (jedenfalls, soweit ich sie sehen konnte) und trug nun um den Bauchnabel eine Tätowierung in Form eines Flammenkreises. Sie war ein toller Anblick, fand ich zumindest – wogegen ich ein ganz normales Mädchen war, mit meinen langen, auf eine Länge geschnittenen mittelbraunen Haaren. Ich hatte dunkle Augen und eine Nase, die man schmeichelnd als »stark« bezeichnen könnte.
    Im letzten Jahr war ich zehn Zentimeter gewachsen und maß jetzt eins achtundsechzig. Ich hatte breite Schultern, keine Hüften und auf die Brust-Fee wartete ich immer noch vergeblich.
    Raven eilte in Richtung Cafeteria-Gebäude, wo die Kiffer rumhingen.
    »Ihre Mutter muss unglaublich stolz auf sie sein«, sagte ich gehässig, doch innerlich bewunderte ich ihren
Mut. Wie es sich wohl anfühlte, wenn einem total egal war, was die Leute von einem dachten?
    »Ich wüsste mal gern, was mit ihrem Nasenstecker passiert, wenn sie niesen muss«, meinte Bree, und ich kicherte.
    Raven nickte Ethan Sharp zu, der schon am frühen Morgen total fertig aussah. Chip Newton, der in Mathe der absolute Crack war, viel besser als ich, und der zuverlässigste Dealer an unserer Schule, schüttelte Raven kräftig die Hand. Robbie Gurevitch, nach Bree mein bester Freund, schaute auf und lächelte sie an.
    »Gott, wie merkwürdig, Mary K. hier zu sehen«, meinte Bree, sah sich um und fuhr sich mit den Fingern durch ihr windzerzaustes Haar.
    »Ja, sie passt hier gut rein«, sagte ich. Meine jüngere Schwester, Mary Kathleen, ging mit ein paar Freundinnen lachend auf das Hauptgebäude zu. Neben den meisten Neulingen wirkte Mary K. reif und ausgeglichen, mit erwachsenen Kurven. Bei meiner Schwester passte alles zusammen – ihre hippen,

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