Eine Braut fuer den italienischen Grafen
geliebten Büchern zu widmen.
„Ana?“, rief er, als sie wenig später ins Haus trat und ihren Mantel ablegte.
„Ja, Papa?“
„Wie war es? Wer war alles da?“
„Alle wichtigen Weinproduzenten, nur du hast gefehlt“, antwortete sie, während sie zu ihm ins Arbeitszimmer ging.
Enrico Viale saß in einem bequemen Ledersessel vor dem Kamin, in dem ein Feuer munter prasselte. Ein Buch lag aufgeschlagen auf seinem Schoß. Er zog die Lesebrille von der Nase und lächelte seiner Tochter zu, als sie eintrat. Ein Netz aus tiefen Falten überzog sein schmales Gesicht. „Du musst mir doch nicht schmeicheln!“
„Ich weiß.“ Ana ließ sich in einen Lehnstuhl ihm gegenüber sinken und streifte die Schuhe von den Füßen. „Dabei habe ich heute selbst Komplimente erhalten.“
„Oh?“ Er schlug das Buch zu und legte es zusammen mit der Brille auf einen Beistelltisch neben seinem Sessel. „Von wem?“
Ursprünglich hatte Ana nicht vorgehabt, ihm von Vittorio zu erzählen. Doch sie erwähnte seinen Namen bereits, noch ehe das Gespräch mit ihrem Vater richtig in Gang gekommen war.
„Vom Conte de Cazlevara. Wusstest du, dass er zurückgekehrt ist?“
„Ja“, antwortete Enrico nach kurzem Zögern.
„Davon hast du mir gar nichts erzählt!“
Wiederum ließ er sich Zeit mit einer Antwort, und Ana hatte den vagen Verdacht, er versuchte etwas vor ihr zu verbergen. Das war allerdings unwahrscheinlich. In den Jahren seit dem Tod ihrer Mutter hatte sich zwischen ihnen eine offene und innige Beziehung entwickelt.
„Es erschien mir nicht wichtig.“
Die knappe Erklärung leuchtete Ana ein, schließlich war die Rückkehr eines flüchtigen Bekannten nicht von Bedeutung.
„Es ist spät, und ich bin müde, ich gehe schlafen. Gute Nacht.“ Sie stand auf, gab ihrem Vater einen liebevollen Kuss, hob ihre Schuhe auf und verließ den Raum. Von der Eingangshalle führte eine geschwungene Marmortreppe in die erste Etage der Villa, wo ihr Zimmer lag. Das schöne alte Herrenhaus verfügte über acht Schlafzimmer, von denen nur zwei ständig benutzt wurden, Übernachtungsgäste hatten sie nur selten.
Während sie sich zum Schlafen fertig machte, gingen Ana die kurzen, belanglosen Sätze, die sie mit Vittorio gewechselt hatte, immer wieder durch den Sinn. Erneut ärgerte sie sich über seine zweifelhaften Schmeicheleien und wunderte sich über die heftigen Empfindungen, die er in ihr auslöste. Bereits als er über die Schwelle von Castello San Stefano getreten war, hatte sie seine Anwesenheit geradezu körperlich gespürt.
Sie schlüpfte in ihren Pyjama, öffnete die Haarspange, schüttelte ihr Haar, bis es ihr lose über die Schultern fiel, und trat ans Fenster.
Mondlicht überzog die Gartenanlage vor dem Haus mit silbernem Glanz, in der Ferne zeichneten sich die Weinberge ab, denen die Villa Rosso ihren Namen und die Familie ihren Wohlstand verdankte. Seit Generationen bauten die Viales hier rote Trauben an, aus denen sie einen edlen Rotwein kelterten, der in Italien, und neuerdings auch im Ausland, reißenden Absatz fand.
Sie ließ sich auf ihrem Lieblingsplatz am offenen Fenster nieder und zog die Beine unters Kinn. Eine frische Brise kam auf, zauste ihr Haar und kühlte ihre Wangen, die sich erstaunlicherweise ganz heiß anfühlten.
Was ist mit mir los? fragte sie sich überrascht. Sicher lag es nur an ihrem mangelnden gesellschaftlichen Umgang, dass der kurze Wortwechsel mit Vittorio sie dermaßen aus der Fassung bringen konnte. Sie ging nur selten aus und wenn, dann aus beruflichen Gründen. Die Männer, die sie bei diesen Gelegenheiten traf, waren in der Regel doppelt so alt wie sie mit ihren neunundzwanzig Jahren und kamen als Ehemänner nicht in Betracht.
Und ich will auch keinen! Sie hatte die Hoffnung auf eine Heirat bereits vor Jahren aufgegeben, als sie erkannte, dass Männer an ihr kein Interesse zeigten. Lieber wollte sie ihr Leben dem Geschäft, ihrer Familie und Freunden widmen. Romantische Liebe kam für sie nicht infrage. Das hatte sie akzeptiert …
Doch jetzt war Vittorio zurückgekehrt! Seine wenn auch offensichtlich unaufrichtigen Komplimente hatten ihren Seelenfrieden gestört und lang vergessene und verdrängte Sehnsüchte neu entfacht. Jahrelang hatte niemand sie als Frau wahrgenommen, bis sie schließlich selbst ihre Weiblichkeit vergessen hatte.
Sie hob den Kopf, schloss die Augen und atmete tief durch. Mit einem Mal wünschte sie sich mit aller Kraft, er würde sie voller Verlangen
Weitere Kostenlose Bücher