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Eine Feder aus Stein

Eine Feder aus Stein

Titel: Eine Feder aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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noch nicht einmal, und er hatte wieder und wieder versucht, mir wehzutun. Doch aus irgendeinem Grund war ich überzeugt, dass er das jetzt nie wieder tun würde.
    Ich holte tief Luft und begann mit dem letzten Teil meines Zaubers.
    Der Blitz schlug ganz in der Nähe ein, so nah, dass ich einen Satz machte. Das Haar stand mir wie elektrisiert vom Kopf ab. Eine graue Regendecke fegte über uns hinweg und hatte uns in null Komma nichts durchnässt. Meine Robe klebte unangenehm an mir und das Donnergrollen ließ meine Eingeweide erzittern.
    Meine Brust fühlte sich eng an, wie eingeschnürt, und mein Körper so angefüllt mit Energie, als müsse er jeden Moment platzen. Ich blinzelte, und nur eine Sekunde lang war ich zurück in meiner Vision, sah zu, wie der Zirkel genau das dasselbe tat wie jetzt: Da waren der Sturm, das Lied, der Ritus, der Regen. Hier in der Gegenwart gab es allerdings keine Cerise.
    Sondern lediglich ihre beiden Doppelgängerinnen.
    Angst durchflutete mich, gewaltig, schrecklich, betäubend. Im Bruchteil einer Sekunde konnte ich nicht mehr denken, atmen und mich kaum noch bewegen. Ich war gelähmt vor Schreck, einem namenlosen Schrecken, wild wie ein Tier, von dem Gedanken, dass dies hier zu groß, zu dunkel, zu gefährlich, zu tödlich für mich war und ich nicht hier sein sollte, nicht hier sein sollte, nicht hier sein sollte …
    Bumm! Die Welt um mich herum wurde weiß wie nach einem Schneesturm. Die Wucht des elektrischen Schlags warf mich nach hinten, riss meine Hände aus Ouidas und Thais’ Griff. Donner erschütterte den Boden wie ein Erdbeben, trennte die Mitglieder der Treize voneinander und zerstörte den Zirkel. Meine Haut zischte, und ich fühlte den Blitz, noch bevor er vom Himmel auf uns herniedergefahren kam, gestochen scharf, gezackt und weißer als die Sonne. Er krachte herunter und sprengte ein Loch in unsere Welt, dort, wo das Feuer gewesen war. Daedalus, Marcel, Richard, Ouida, Nan, Sophie und Manon – sie alle schrien etwas, jeder etwas anderes und alle zur selben Zeit.
    Der Blitz zersplitterte auf unseren Körpern, fuhr in jeden von uns hinein, warf mich auf den Boden. Ekstatisch hob Daedalus die Hände, lachte, ließ sich vom Gefühl der Macht berauschen. Im nächsten Moment zuckte der Blitz noch einmal auf uns hernieder, riesig, grauenerregend. Nan breitete die Arme aus, als wolle sie Marcel umarmen. Auch er hatte die Arme ausgestreckt und sein Gesicht dem Himmel zugewandt. Sofort ließ der Blitz von uns ab und schien sich mit ihm vereinigen zu wollen. Er stach Marcel in die Brust, warf ihn um. Im gleißenden Licht sah ich den Schrecken auf seinem Gesicht, wie es sich vor Schmerz verzerrte … Dann fiel er schwer auf die Erde. Tot.
    Es wurde still. Der Sturm ließ nach und hinterließ nichts als fassungslose Leere. Der niederprasselnde Regen verwandelte sich in eine sanfte Dusche. Wir alle starrten auf Marcel, der mit dem Gesicht nach oben auf dem Boden lag, den Blick ins Nichts gerichtet.
    »Oh mein Gott!«, schrie Claire. »Er ist tot!« Entgeistert blickte sie uns an. »Marcel ist tot!«
    Thais gab einen leisen Ton des Schreckens von sich. Sie war grün im Gesicht und schwankte. Ich stolperte zu hier hinüber und erwischte sie gerade noch, bevor sie umkippte. Ungeschickt fielen wir, nur ein paar Meter von Marcel entfernt, auf den Boden.
    »Was hast du getan!«, schrie Daedalus, sein Gesicht eine wütende Maske. »Wie kannst du es wagen! Wie kannst du es wagen, den Ritus zu sabotieren!« Er drohte Petra, die neben mir niedersank, mit der Faust.
    »Er wollte sterben«, sagte Petra schwach. »Irgendjemand musste sterben, damit dieser Ritus funktioniert. Und das weißt du.« Sie sah Daedalus an. »Ich musste sichergehen, dass es keins meiner Mädchen ist. Also haben Marcel und ich einen Pakt geschlossen.«
    »Wie kannst du es wagen !«, brüllte Daedalus erneut. »Wer hat dir geholfen? Jeder, der dich dabei unterstützt hat, wird mir auf der Stelle antworten!« Wild blickte er sich um, von einem Gesicht zum anderen.
    Sophie lehnte an einem Baumstamm und stierte ins Nichts. Ihr langes dunkles Haar fiel ihr strähnig über den Rücken. Manon, auf allen vieren, starrte sie an.
    »Niemand hat mir geholfen«, entgegnete Petra mit rauer Stimme. »Das waren nur Marcel und ich. Es tut mir leid, Daedalus. Ich weiß, wie viel dir das bedeutet hat. Doch ich konnte nicht zulassen, dass du die Person tötest, die du im Sinn hattest.«
    Er öffnete und schloss den Mund ein paar Mal,

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