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Eine feine Gesellschaft

Eine feine Gesellschaft

Titel: Eine feine Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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zu den menschlichen Fähigkeiten gehört.
    Genau in dem Augenblick machten sich die Studenten über den 5

    Schreibtisch des Universitätspräsidenten her und fingen an, seine Briefe zu lesen –

    Mit plötzlichem Schwung seines altersschwachen Rades, war das Glück wütend davongestrampelt;

    aber Kate, die davon nichts wußte, setzte sich und genoß den Anblick der blühenden Tulpen.
    Kate hatte Auden zum erstenmal vor zehn Jahren im Fernsehen gesehen, und da sie keinen Fernsehapparat besaß, hatte sie einiges an Unbequemlichkeiten auf sich nehmen müssen, um die Sendung nicht zu verpassen. (Für ihre Gastgeber war es allerdings mit noch mehr Unannehmlichkeiten verbunden gewesen, denn die Sendung hatte erst gegen Mitternacht begonnen und sich bis in die frühen Morgen-stunden hingezogen; schließlich hatten sie Kate und Auden in ihrem Wohnzimmer sich selbst überlassen und waren schlafen gegangen.) Kate konnte sich nicht mehr an den Anlaß für die Sendung erinnern und auch nicht an das Thema, worüber Auden und die anderen diskutiert hatten, aber sie erinnerte sich sehr wohl daran, daß Auden während der stundenlangen Übertragung laut und erfolglos um eine Tasse Tee gebeten hatte: So etwas war in einem Fernsehstudio offenbar ähnlich schwer aufzutreiben wie eine Coca-Cola in einem Pariser Vier-Sterne-Restaurant. Kate hatte Audens Stirnrunzeln nie vergessen. Wie zu lesen war, runzelte er seit seiner Kindheit die Stirn. »Ich sehe ihn«, hatte Christopher Isherwood geschrieben, »die Stirn runzeln, während er mir gegenüber im Chor singt und in einem Chorhemd mit riesigem Eton-Kragen steckt, über dem seine enor-men roten Ohrmuscheln von seinem schmalen, finster blickenden, puddingweißen Gesicht abstehen.« Sie waren Schulkameraden gewesen: Isherwood sollte heute nachmittag Auden die Medaille über-reichen.
    »Und so hat man mich nach all den Jahren gewaltsam aus meinem Büro vertrieben. Die Uni haben sie auch besetzt.«
    »Wer?« Kate starrte den Mann an, der neben ihr stand.
    »Das Schicksal hat Ihnen, wie ich sehe, ein paar zusätzliche Augenblicke glücklicher Unwissenheit geschenkt«, bemerkte Frederick Clemance. »Und woran haben Sie gedacht, während Sie dasaßen und die Tulpen betrachteten?«
    »An Auden«, sagte Kate.
    »Was Sie nicht sagen!« Clemance setzte sich neben sie auf die 6

    Bank. »Kennen Sie seine Gedichte gut?«
    »Ich führe mir hin und wieder eins zu Gemüte«, gab Kate zu. Sie betrachtete Clemance mit einer gewissen Verlegenheit. Sie bewunderte ihn seit Jahren, hatte in den höheren Semestern bei ihm studieren dürfen (was damals für eine Frau eine besondere Auszeichnung war) und mit Spannung und Hingabe verfolgt, wie sein Ruf immer weiter gewachsen war – mittlerweile galt er als eine der Berühmthei-ten der Universität. Formal gesehen, war sie inzwischen seine Kollegin, aber zu einem privaten Gespräch war es noch nie zwischen ihnen gekommen.
    »Nun sehen Sie sich das an. Klettern auf die Fensterbänke wie die Affen und brüllen Obszönitäten. Wenn Sie nah genug herange-hen, werden die Sie anspucken. Soll das eine neue Art von Schaber-nack unter Studenten sein? Jedenfalls«, fügte Clemance hinzu, »hat mich bisher noch niemand in einen derart tollen Streich einbezogen.«
    Sie kletterten auf die Bank und konnten nun die Studenten erkennen, die, zumeist bärtig und auch auf die Entfernung ungewaschen wirkend, auf den Fensterbänken hockten. »Miss Fansler«, sagte Clemance, während er von der Bank stieg, »vielleicht könnten Sie mir einen Gefallen tun.« Kate lächelte nervös. So, stellte sie sich vor, hatte Friedrich der Große mit einem seiner Höflinge gesprochen.
    »Natürlich, wenn ich kann«, sagte sie.
    »Es geht um Auden.«
    Kate sah ihn verblüfft an. Beiden war natürlich noch nicht klar, daß sich ihre Welt verändert hatte. Für beide mahlte die akademische Mühle noch vor sich hin. Hätte jemand in diesem Moment behauptet, Kate oder Clemance würden schon bald miterleben, wie ihre Kollegen von Studenten verspottet und von Polizisten mit Schlagstöcken bearbeitet werden, sie hätten an seinem Verstand gezweifelt. Wir verbrachten damals miteinander eine letzte Stunde der Unschuld, würde Kate sich später erinnern.
    »Ich betreue eine Dissertation über Auden. Sie ist inzwischen fertig: die Arbeit eines brillanten jungen Mannes, der darauf brennt, bald sein Rigorosum zu machen. Professor Pollinger ist einer der Gutachter. Ich war gerade auf der Suche nach jemandem,

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