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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Delegierten tauchte er dann auf. »Was ist los, Claude?« fragte er, und erst danach bemerkte er den Gesichtsausdruck seines Rechtsanwaltes. »Sprich«, bat er ernst.
    »Die Stimme, die wir hören«, stieß St. Cyr hervor. »Sie gehört nicht Louis! Es ist jemand anders, der Louis nachahmt!«
    »Woher weißt du das?«
    Er sagte es ihm.
    Harvey nickte. »Und es war tatsächlich Louis’ Leichnam, den du zerstört hast; er wurde im Bestattungsinstitut nicht vertauscht – das weißt du genau?«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher«, erwiderte St. Cyr. »Aber ich glaube schon; ich glaube es jetzt, und ich habe es geglaubt, als ich mit dem Hitzestrahler den Leichnam eingeäschert habe.« Es war jetzt zu spät, um dies zu überprüfen; von der Leiche war nicht genug übriggeblieben, um eine befriedigende Analyse durchzuführen.
    »Aber wer kann es dann sein?« fragte Harvey. »Mein Gott, die Stimme stammt aus dem Raum jenseits des Sonnensystems – können es vielleicht Extraterrestrier sein? Eine Art Echo, eine Nachahmung, eine nicht-lebende Reaktion, die uns fremd ist? Ein zielloser, inerter Prozeß?«
    St. Cyr lachte. »Du redest Unsinn, Phil. Hör auf damit.«
    »Wie du meinst, Claude«, nickte Harvey. »Glaubst du, daß es jemand von hier ...«
    »Ich weiß es nicht«, unterbrach St. Cyr heftig. »Ich glaube, es ist jemand, der sich hier auf diesem Planeten befindet, jemand, der Louis gut genug kannte, um seine charakteristischen Eigenschaften so nachzuahmen, daß es niemandem auffiel.« Dann schwieg er. Soviel ließ sich durch logisches Nachdenken ermitteln ... was darüber hinaus ging, blieb unklar. Eine Leere, und diese Leere ängstigte ihn.
    Ein störendes Element befindet sich darin, dachte er. Was wir als Verfall ansahen – es ist eher eine Form des Wahnsinns als eine Folge des Dahinsiechens. Oder ist Wahnsinn gleichbedeutend mit Siechtum? Er wußte es nicht; bis auf die juristischen Aspekte war ihm die Psychiatrie fremd. Und die juristischen Aspekte kamen hier nicht zum Tragen.
    »Hat jemand schon Gam nominiert?« wandte er sich an Harvey.
    »Bisher noch nicht. Aber man erwartet, daß es noch heute geschehen wird. Es geht das Gerücht um, daß eine Delegation aus Montana das übernimmt.«
    »Ist Johnny Barefoot hier?«
    »Ja«, nickte Harvey. »Er kümmert sich um die Delegationen. Vor allem um die noch unentschlossenen Wahlmänner. Natürlich ist Gam nirgendwo zu sehen. Er wird nicht vor dem Ende der Nominierungsrede kommen, und dann wird natürlich die Hölle los sein. Gejohle und Paraden und Fahnengeschwenke ... Gams Helfer stehen schon bereit.«
    »Irgendeinen Hinweis auf ...« St. Cyr zögerte. »Was wir für Louis hielten? Deutet etwas auf seine Anwesenheit hin?« Oder was auch immer es sein mag, dachte er.
    »Bisher noch nicht«, gestand Harvey.
    »Ich glaube, wir werden noch von ihm hören«, brummte St. Cyr. »Noch vor Ende des Tages.«
    Harvey nickte; er war der gleichen Ansicht.
    »Fürchtest du dich davor?« fragte St. Cyr.
    »Natürlich«, erklärte Harvey. »Jetzt, da wir nicht mehr wissen, wer oder was es ist, noch tausendmal mehr.«
    »Eine vernünftige Einstellung«, stimmte St. Cyr zu. Ihm erging es nicht anders.
    »Vielleicht sollten wir es Johnny sagen«, schlug Harvey vor.
    »Laß ihn es selbst herausfinden«, riet St. Cyr.
    »In Ordnung, Claude«, sagte Harvey. »Wie du meinst. Schließlich hast du Louis’ Leichnam entdeckt; ich habe vollstes Vertrauen zu dir.«
    Auf eine Art, dachte St. Cyr, wünschte ich, ihn nicht gefunden zu haben. Ich wünschte, ich wüßte nicht, was ich jetzt weiß; wir waren besser dran, als wir noch glaubten, daß Louis aus jedem Telefon, jeder Zeitung und jedem Fernseher zu uns sprach.
    Das war schlimm – aber nun ist es weit schlimmer. Obwohl, dachte er, es mir scheint, als ob die Antwort offen vor uns liegt, zum Greifen nah.
    Ich muß es versuchen, sagte er sich. VERSUCHEN!
     
    Johnny Barefoot befand sich allein in einem Nebenzimmer und beobachtete gespannt die Geschehnisse des Parteitages auf einem Monitor. Die Störung, die Sendung aus einer Lichtwoche Entfernung, hatte für eine Weile nachgelassen, und er konnte sehen und hören, wie die Delegationen aus Montana Alfonse Gam für die Nominierung vorschlugen.
    Er war müde. Der ganze Parteitag, die Abstimmungen und Aufmärsche, die Spannung zerrten an seinen Nerven, liefen genau seinen Plänen zuwider. Soviel verdammte Show, dachte er. Wozu dieser Aufwand? Wenn Gam nominiert werden wollte, dann wurde er auch

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